Kompositionen, die von Musik und Literatur angeregt und dann zum Ausgangspunkt neuer Klangschöpfungen wurden, stehen im Mittelpunkt einer außergewöhnlichen Debüt-CD. Der junge Pianist Max Philip Klüser präsentiert sechs Werke mit mehrfacher Urheberschaft.
Franz Schubert liefert das Gerüst, das sich allerdings in einem üppigen, (spät)romantischen Dekor präsentiert. Seine Lieder „Wohin?“, „An Mignon“ und „Die Forelle“ spielt Max Philip Klüser in den Transkriptionen von Sergei Rachmaninow, Leopold Godowsky und Franz Liszt. Die Texte von Wilhelm Müller, Johann Wolfgang von Goethe und Christian Friedrich Daniel Schubart sind verschwunden, doch in dieser Zeitmaschine bleiben ihre Stimmungswerte auf ebenso wundersame Weise erhalten wie die Einzigartigkeit des musikalischen Originals.
Auch Jörg Widmann lässt Mozarts schöpferisches Genie in seiner „Sonatina facile“ immer wieder aufscheinen. Seine 2017 uraufgeführte und hier erstmals eingespielte Adaption der berühmten C-Dur-Sonate KV 545 gleicht freilich eher einer „Sonatina difficile“. Die Wiener Klassik kann eben nicht mehr 1:1 reflektiert werden, epochale Verschiebungen und Brüche lassen ein schillerndes, scheinbar bekanntes und doch völlig neuartiges Sediment entstehen. Diesen Aspekt teilt Widmanns virtuoses Schattenspiel mit Karol Szymanowskys „Masques“, die hier ein wenig so klingen, als würden sie die Abenteuer „ihrer“ Figuren Scheherazade, Tristan und Don Juan auf einer mal grell beleuchteten, mal gänzlich abgedunkelten, mitunter arg zerknitterten Leinwand Revue passieren lassen.
Mozarts Variationen über „Unser dummer Pöbel meint“ aus Glucks Oper „La Rencontre imprévue“ („Die Pilger von Mekka“) bilden da nur scheinbar ein unbeschwertes Gegenstück. Je mehr Abwandlungen das heitere Ausgangsthema überlagern, desto filigraner und komplexer wird das Gesamtbild. Irritationen ob der plötzlichen Anfälle von Melancholie und Schwermut scheinen ausdrücklich gewollt zu sein.
„Schließlich ist etwas anderes und viel mehr aus dieser Vorlage entstanden – mit neuen und völlig unterschiedlichen emotionalen Facetten“, meint Max Philip Klüser. Dass der 1994 in Siegen geborene Pianist die unterschiedlichen Bearbeitungsstufen der Werke inklusive ihrer oft kaum spürbaren Übergänge transparent und nacherlebbar macht, ist ein besonderer Vorzug dieser außergewöhnlichen Aufnahme. Mit einem ganz zwanglosen, aber doch zielgerichteten Anschlag erkundet er selten begangene Pfade, die überdies in unterschiedliche, mitunter sogar entgegengesetzte Richtungen führen. Absolut hörenswert!
Max Philip Klüser: Reflections, Super Audio CD, Ars Produktion