Romantischer Ausdruck und barocke Formen

Als Künstler und Wissenschaftler beschäftigt sich Jean-Pierre Armengaud seit langem mit dem Künstlerehepaar Schumann. Teil 1 seiner Gesamtedition der Klavierwerke von Clara Schumann ist nun bei Grand Piano erschienen.

Während die brillante Klaviervirtuosin in ganz Europa gefeiert wurde, hatte die Komponistin Clara Schumann, geborene Wieck, zeit ihres Lebens mit Vorurteilen zu kämpfen. Auch mit solchen, die sie selbst reproduzierte. „Natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit“, bemängelte sie ihr Klaviertrio op.17, während Robert Schumann die Partnerin weiter zum Schreiben motivierte. „Wir geben dann auch Manches unter unseren beiden Namen heraus, die Nachwelt soll uns ganz wie ein Herz und eine Seele betrachten und nicht erfahren, was von dir, was von mir ist“, versprach der Verlobte im Sommer 1839.

Die Realität sah dann doch ein wenig anders aus. Clara Schumann war in ihrer Ehe nicht nur als künstlerisches Pendant gefragt, sondern auch als Hausfrau, Mutter von acht Kindern und seelischer Beistand eines hochsensiblen Ehemanns, der beim Komponieren keine Störungen vertrug – auch keine Klavier spielende Partnerin. Trotz dieser Hindernisse und anhaltender Selbstzweifel komponierte Clara bis Mitte der 1850er Jahre weiter und schuf dabei ihren ganz eigenen musikalischen Kosmos.

Reine Bravourstücke finden sich kaum in diesem Oeuvre. Clara Schumann schrieb Vielschichtiges und Ausdrucksstarkes, mal ganz im Geist ihrer Zeit aufgehend wie in den Romanzen op.11 und op.16, mal eine spannungsreiche, epochenübergreifende Auseinandersetzung suchend wie in den drei mit Johann Sebastian Bach korrespondierenden Präludien und Fugen op.16. Der französische Pianist und Schumann-Kenner Jean-Pierre Armengaud spielt diese Werke mit großer Souveränität und der reichen Erfahrung seiner über 80 Lebensjahre.

Der Auftakt zur Gesamteinspielung sämtlicher Kompositionen von Clara Schumann für Soloklavier wartet außerdem mit dem Scherzo Nr. 2 c-Moll, der Romanze in a-Moll, dem Präludium nebst Fuge in fis-Moll und einer Bearbeitung aus Roberts „Lieder-Album für die Jugend“ auf. Ganz zum Schluss erklingt die 1856 entstandene, wahrhaft magische Romanze in h-Moll, die zu Clara Schumanns letzten Werken zählte, obwohl sie noch 40 Jahre lebte. Die „Variationen über ein Thema von Robert Schumann op.20“ bilden aber wohl den Höhepunkt der im November und Dezember 2023 eingespielten CD. Armengauds feinnervige, sanft dahinfließende Interpretation lässt tatsächlich eine Zeitlang vergessen, was hier von wem ist.

Clara Schumann: Sämtliche Klavierwerke Vol.1, Grand Piano