Lebendige Linien

Johann Nepomuk David gehörte zu den bemerkenswertesten Symphonikern des 20. Jahrhunderts, trotzdem existiert noch keine Gesamtaufnahme seiner insgesamt acht Gattungsbeiträge. Nach der Einspielung der 1.2.,4. und 6. Symphonie kommt das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Johannes Wildner dem Ziel allerdings immer näher. Die neueste CD, die bereits 2014 im Funkhaus Wien aufgenommen wurde, stellt die Nummern 3 und 7 vor.

Die Schrecken der NS-Diktatur und des beginnenden Zweiten Weltkriegs haben in der 1940/41 in Leipzig komponierten 3. Symphonie ihre Spuren hinterlassen, auch wenn der österreichische Komponist und Chorleiter hörbar bemüht war, sich in dunkelster Zeit auf das vermeintlich unverminte Terrain der absoluten Musik zurückzuziehen. Er habe das Melodische „aufs Äußerste kultivieren“ wollen, gab David später zu Protokoll, gleichwohl schafft schon der nervöse erste Satz eine giftige Atmosphäre, die sich von aller polyphonen und kontrapunktischen Meisterschaft des Komponisten nicht beruhigen lässt.

Für den Hörer sind Davids symphonische Werke ebenso große wie bereichernde Herausforderungen, denn das Geflecht der melodischen Linien, die nach dem Willen ihres Schöpfers „volkkommen lebendig und plastisch behandelt“ werden sollen, führen nie auf dem schnellsten und einfachsten Weg zum Ziel. Umso bedeutsamer ist es – insbesondere auch im Fall der noch deutlich vertrackteren 7. Symphonie, die nach Experimenten mit Melodien und Fugen in einen voluminösen Variationensatz mündet -, dass Orchester und Dirigent den Faden nicht aus der Hand geben und den komplexen Partituren eine nachvollziehbare Struktur verleihen.

Johannes Wildner und dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien gelingt aber noch mehr: Ihre punktgenaue, feinfühlige Darstellung lässt das intellektuelle Fundament in einem durchaus sinnlichen, höchst lebendigen und spannungsreichen Hörerlebnis aufgehen.

Johann Nepomuk David: Symphonien Nr.3 und 7, cpo