Braune Relikte 39: Kochtopf und Durchschlag aus Stahlhelmen.
Krieg kostet. Krieg ist immer auch ein Geschäft. Verdient wird nicht nur an Kanonen, sondern auch an jedem Uniformknopf. Einerseits muss die Wirtschaft auf besondere Bedürfnisse einer sich im Krieg befindenden Gesellschaft umgestellt werden; aus Topf-Fabriken werden Fabrikationen für Stahlhelme. Andererseits muss die Ökonomie mit dem Kriegsende wieder den Verhältnissen im Frieden angepasst werden.
Die Bilanz menschlichen Leids nach sechs Jahren übersteigt das allgemeine Vorstellungsvermögen: Im Zweiten Weltkrieg starben insgesamt 55,5 Millionen Menschen – 21.100.000 Sowjetbürgerinnen und -bürger, 13.500.000 Chinesen, 7.000.000 Deutsche (davon vier Millionen Soldaten), 5.420.000 Polen (fast ausschließlich Zivilistinnen und Zivilisten), 2.060.000 Japaner, 610.000 Franzosen, 415.000 Italiener, 410.000 Briten, 4.720.000 sonstige Europäerinnen und -europäer, 250.000 US-Soldaten und 42.000 Kanadier. Darunter befanden sich mit 54,5 % überproportional viele zivile Opfer. Zum Vergleich: Im Ersten Weltkrieg waren es lediglich 5 %.
All diese Menschen starben durch Kugeln, Granaten, Eigenbeschuss, Unfälle, Morde, durch Verhungern usw. Die Waffen, Kriegsmaterialien, Uniformen etc. mussten alle produziert werden. Am Tod wurde also verdient. Neben den klassischen Rüstungsbetrieben und Waffenproduzenten profitierten weitere Firmen von der Umstellung der Friedens- auf Kriegswirtschaft. Die massenhafte Produktion von Rüstungsgütern war auch ein zentraler Faktor, der im Krieg mit über Sieg und Niederlage entschied.
Am Ende des Krieges musste die Kriegswirtschaft wieder auf die veränderte Situation in Friedenszeiten umgestellt werden. Symbole für den ökonomischen Transformationsprozess zwischen Krieg und Frieden sind diese beiden Haushaltsgeräte. Sie waren ursprünglich Teil einer Kriegswirtschaft – der Topf ein umgearbeiteter deutscher Stahlhelm und der Durchschlag ein Stahlhelmrohling, der vor Ende des Krieges nicht mehr fertiggestellt wurde und als Materialrest in der Fabrik zurückblieb.
Die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, die für neue ökonomische Freiheiten sorgte, legte die Grundlage für den Wirtschaftsaufschwung der 1950er Jahre. Noch bevor dieser signifikant wurde, gab sich die deutsche Gesellschaft optimistisch und fortschrittsgläubig. Das bald sprichwörtliche bundesdeutsche „Wirtschaftswunder“ besaß vielschichtige Gründe: Im Rahmen des „Marshallplans“ gewährten die USA zur Belebung der europäischen Wirtschaft 1948-1952 ca. 12,4 Mrd. Dollar Hilfsleistungen in Form von Krediten, Waren, Rohstoffen und Lebensmitteln. Davon sorgten 1,5 Mrd. Dollar für Wachstumsimpulse in Westdeutschland, insbesondere im Kohlebergbau und in der Energiewirtschaft. Außerdem gab es in der Bevölkerung einen enormen Nachholbedarf. Qualifizierte Arbeitskräfte waren in ausreichender Zahl vorhanden. Aus den USA wurden moderne Technologien importiert. Die industrielle Infrastruktur war noch vorhanden und nach dem Krieg nicht so zerstört wie zunächst vermutet. Zudem führte der Koreakrieg ab 1950 zu einem Boom auf dem Weltmarkt, von dem die deutsche Exportwirtschaft profitierte.
Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958, die Vorläuferorganisation der Europäischen Union, und die starke D-Mark taten ein Übriges. Die wirtschaftliche Lage verbesserte sich so weit, dass 1959 Vollbeschäftigung herrschte. Zwischen 1950 und 1970 verdreifachte sich das Bruttosozialprodukt. Das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nahm entsprechend zu und sorgte für einen Anstieg der Binnennachfrage. Deutschland entwickelte sich so zu einer modernen Industriegesellschaft und wandelte sich von einer Arbeits- zur Konsumgesellschaft.
Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.