Flüchtlinge im Gutshaus Kruckow

Vermutlich waren Krukow in Mecklenburg und Kruckow in Pommern ebensolche Landgüter bzw. Gutsdörfer wie viele andere auch. Gemeinsam war Krukow nördlich von Penzlin und Kruckow westlich von Jarmen neben der Namenähnlichkeit, dass sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges zum neu gebildeten Land Mecklenburg-Vorpommern gehörten. Ab 1947 hieß es nur noch Mecklenburg, sodass sich Kruckow nunmehr in „Ostmecklenburg“ befand. Aber das nur am Rande.

Mit dem Kriegsende ging eine signifikante Erhöhung der Einwohnerzahl von Kruckow, um das es in der Folge ausschließlich geht, einher. Sie wuchs von 205 im Jahr 1939 auf 520 im Jahr 1946. Ursächlich waren ohne Zweifel Flüchtlinge, nach offiziellem Sprachgebrauch Umsiedler, die untergebracht werden wollten. Anfang August 1945 lautete die amtliche Schätzung für den Kreis Demmin, dem Kruckow angehörig war, zunächst auf 28.000 Flüchtlinge in einer Gesamtbevölkerung von 81.000 Menschen. Erstere Zahl wurde wenig später auf 46.377 „Umquartierte“ nach oben korrigiert. Ebenfalls noch im August 1945 folgte schließlich die – in ihrer Diktion durchaus bemerkenswerte – amtliche Meldung: 84.870 Einwohner, davon 42.027 Einheimische (49,5%) und 28.656 „Flüchtlinge aus den Polen angeschlossenen Gebieten“ (33,8%) sowie 7.796 „aus anderen Gebieten der russischen Okkupationszone“ (9,2%) und 6.391 „aus Westdeutschland“ (7,5%).

Ungeachtet dessen verstieg sich die SED-Fraktion der Gemeindeversammlung Kruckow 1948 darauf, den Bevölkerungszuwachs der Gemeinde als Folge der Bodenreform darzustellen. Die aus dem Zuwachs resultierenden Nöte sowohl der Betroffenen, d.h. Flüchtlinge und Alteingesessene, als auch der für sie zuständigen Verwaltung lassen sich in einer Emotion des zuständigen Landrates Arthur Müller Mitte August 1945 greifen: „Es hat den Anschein, als ob die Flüchtlinge von Ost und West besonders dem Kreis Demmin zugeleitet werden. Es wäre wünschenswert, wenn bejahendenfalls eine gleichmässige Verteilung auf die Kreise veranlasst würde.“ Nicht grundsätzlich, aber doch partiell mag sich die Lage bei seinen Kollegen bisweilen besser dargestellt haben: Beispielsweise waren Mitte August 1945 42.847 der 108.345 Einwohner des Kreises Rostock Flüchtlinge (39,5%), der Landesdurchschnitt belief sich 1946 auf 44 %.

In Kruckow, um dahin zurückzukehren, dürften die Flüchtlinge mindestens zum Großteil im Gutshaus oder „Gutsschloss“, wie es in den Quellen zumeist heißt, untergekommen sein. Von 17 Familien, die hier einmal eine Zuflucht fanden, war späterhin die Rede. Am 18. September 1948 verloren sie unvermittelt ihr Dach über dem Kopf, als eine „Brandkatastrophe“ das Gebäude schwer in Mitleidenschaft zog (s. Außenansicht des Hauses). Die Flammen vernichteten neben dem Wohnraum das örtliche „Kolonialwarengeschäft“ und den – Stichwort Erntezeit – „hauptsächlich im Sommer dringend benötigt[en]“ Kindergarten. Genau einen Monat nach dem Feuer, am 18. Oktober 1948, fasste die SED-Fraktion der Gemeindevertretung einen zukunftsorientierten Beschluss zur Schadenbewältigung.

Mit einem Umbau der Brandruine sollten „die Wohnungsnot in der Gemeinde bedeutend behoben“ und weitere Probleme gelöst werden. Die obere Schlossetage wurde zum Abbruch vorgesehen, um die Steine für Neubauernhöfe zu verwenden. Das noch nutzbare Untergeschoss sollte nach dem Umbau Schule, zweite Lehrerwohnung, Bäckerei, „Kolonialwarengeschäft“ und Kindergarten aufnehmen. Von einem kleinen Gemeindezuschuss abgesehen ließe sich, so die Annahme, der „ungeheure Kostenaufwand“ im Wesentlichen aus der Auszahlung der Feuerversicherung finanzieren.

„Umsiedler“-Wohnung in Kruckow, 1950.

Womöglich gestaltete sich die Realität komplexer als der ambitionierte, von Gemeinderat und -vorstand gegenzeichnete Plan. Anfang Dezember 1948 stand die Baumaßnahme immerhin schon auf der Agenda der Geschäftsstelle des Kreistages, die den Gemeindebürgermeister bei nächstmöglicher Gelegenheit zur Konsultation bat. Am 5. Januar 1949 beschloss die Gemeindevertretung von Kruckow dann, das ehemalige Gutshaus neu bedachen zu lassen. Ein Jahr später, am 6. Januar 1950, fand eine Ortsbesichtigung durch Gemeindevertretung und Kreiswohnungsbehörde statt. Spätestens jetzt folgte eine baupolizeiliche Sperrung, die sechs dort noch hausende Familien mit 22 Menschen betraf (s. das zeitgenössische Foto der „Umsiedler“-Wohnung). Als im Juli noch immer keine Lösung gefunden worden war, stellte die Gemeinde einen Dringlichkeitsantrag zur „sofortige[n] Beschaffung“ einer Ersatzbaracke und „sofortige[n] Vorbereitung“ der Errichtung von Neubauernhäusern im kommenden Frühjahr.

Die Benennung von Problemen und die Anmahnung ihrer Behebung sind zweifelsohne Schritte in die richtige Richtung. Dennoch scheitert ihre Lösung manchmal an objektiven Umständen, wie sich am 30. November 1951 im Kreistag verdeutlichte. Zum einen beklagte die Kruckower Bürgermeisterin, dass die Neubauernhäuser nicht fertiggestellt werden konnten, weil den Maurern der beauftragten Firma keine Auslöse gezahlt und keine Verpflegung gestellt werden konnte. Zum anderen war Kruckow kein Einzelfall: 11 der 68 Gemeinden des Kreises Demmin mussten als Schwerpunktgemeinden zum vordringlichen Bau von Neubauernhäusern im Jahr 1952 deklariert werden, am 30. Mai 1952 wurde diese Zahl auf zwei – darunter Kruckow – reduziert.