Auf ihrem neuen Album spielt die britische Pianistin Clare Hammond Werke für Klavier und Orchester, die ihre Landsleute William Walton, Benjamin Britten und Michael Tippett zwischen 1927 und 1955 komponierten. Sie definieren das Verhältnis von Solist und Orchester auf eine jeweils ganz eigene und faszinierende Weise.
William Waltons 1927 entstandene „Sinfonia concertante“ sollte ohnehin kein Klavierkonzert, sondern eigentlich ein Ballett werden. Als er Sergej Diaghilew nicht von der Idee überzeugen konnte, konzipierte Walton ein raffiniertes symphonisches Stück, in dem das Klavier eine Rolle unter vielen spielt und über weite Strecken zum Teil eines schillernden Orchesterapparates wird. In der Neufassung aus dem Jahr 1943 machen der veränderte Titel „Sinfonia concertante for orchestra with piano obbligato“ und die verschlankte, transparente Struktur das Anliegen des Komponisten noch deutlicher.
Auch Benjamin Britten schwebte kein klassisches Konzert vor, als ihn der Pianist Paul Wittenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte, wie so viele andere Komponisten um ein Werk für die linke Hand bat. Anders als mancher Kollege entschied sich Britten allerdings dafür, nicht über Wittgensteins Einschränkung hinwegzutäuschen, sondern die pianistischen Möglichkeiten der linken Hand detailreich anschaulich zu machen. Sehr zum Unwillen des Auftraggebers, der in den feinsinnigen Variationen mit dem Titel „Diversions“ offenbar nicht genügend Ansatzpunkte fand, um seine noch immer extravagante Virtuosität unter Beweis zu stellen.

Der Pianist veränderte die Partitur nach eigenem Gutdünken – im CD-Booklet zitiert Clare Hammond Britten mit den Worten, er sei 1942 zur Uraufführung nach Philadelphia gefahren, „um zu hören, wie Wittgenstein meine ´Diversions´ ruiniert“. Anfang der 1950er Jahre nutzte der Komponist den Ablauf der exklusiven Aufführungsrechte folgerichtig zu einer Überarbeitung, die seine Version für die Nachwelt festschreiben sollte.
Eine vergleichbar negative Erfahrung blieb Michael Tippett erspart, seine Inspirationsquelle weilte allerdings auch schon seit gut 200 Jahren nicht mehr unter den Lebenden. Eine Aufführung von Beethovens 4. Klavierkonzert soll ihn auf den Gedanken gebracht haben, ein modernes Konzert zu schreiben, „in dem die poetischen Seiten des Klaviers wieder einmal zum Tragen kommen“. Auch Tippett verzichtete in seinem zwischen 1953 und 55 entstandenen Werk auf eine herausgehobene, antagonistische Rolle des Solisten und entwarf stattdessen einen kunstreichen Dialog zwischen im Grundsatz gleichberechtigten Instrumenten.
Das komplexe, technisch außerordentlich anspruchsvolle und eminent gehaltvolle Werk ist in der mustergültigen, ebenso zupackenden wie feinziselierten Interpretation von Clare Hammond und dem BBC Symphony Orchestra unter George Vass zweifellos der Höhepunkt dieser außergewöhnlichen Einspielung.
William Walton: Sinfonia concertante for orchestra with piano obbligato / Benjamin Britten: Diversions, Op. 21 for piano (left hand) and orchestra / Michael Tippett: Concerto for Piano and Orchestra, BIS


