#lyrik: Auf der Eisenbahn

1835 fuhr die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth. Kurze Zeit später raste das neue Transportmittel auch schon durch den Text einer ambitionierten Dichterin.

12 Zeilen saust, braust und donnert der „rasche Blitz“, ehe ihm Louise von Ploennies eine Ruhepause gönnt. Nach Punkt und Spatium entpuppt sich die Eisenbahn als Metapher. Denn eigentlich sollen sich Gedanken- und Meinungsfreiheit mit Windeseile durch Deutschland und Europa bewegen.

Im 19. Jahrhundert wurde allerdings nur die Eisenbahn schneller. Schon in den 1830er Jahren erreichten Lokomotiven wie die amerikanische „Brother Jonathan“ rund 100 km/h. Demokratische Errungenschaften hatten es sehr viel schwerer und wurden durch die Niederschlagung revolutionären Bestrebungen – wie etwa 1848/49 – immer wieder ausgesetzt.

Louise von Ploennies: Auf der Eisenbahn

Rascher Blitz, der hin mich trägt
Pfeilschnell, von der Gluth bewegt,
Sausend durch des Tages Pracht,
Brausend durch die dunkle Nacht,
Donnernd über Stromesschäumen,
Blitzend an des Abgrunds Säumen,
Durch der Berge mächt’ge Grüfte,
Durch der Thäler nächt’ge Klüfte,
Durch der Saaten goldne Wogen,
Ueber stolze Brückenbogen,
Durch der Dörfer munter Leben,
Durch der Städte bunter Weben. –
Könnt‘, wie du, das freie Wort
Sausend zieh’n von Ort zu Ort!
Alle Herzen, die ihm schlagen,
Stürmisch so von dannen tragen,
So aus einem Land zum andern
Siegend die Gedanken wandern! –
Freies Wort, wer gründet Schienen,
Deinem Bahnzug stark zu dienen? –

 

Die Autorin

Louise von Ploennies (alternativ von Plönnies), 1803 in Hanau geboren, war die Tochter des Arztes und Zoologen Philipp Achilles Leisler und seiner Frau Sophie. Sie heiratete den Mediziner August von Ploennies, bekam neun Kinder und widmete sich dann mit erstaunlicher Zielstrebigkeit ihren literarischen Ambitionen.
Louise von Ploennies beschäftigte sich mit flämischer und niederländischer Literatur, schrieb Reiseberichte, wurde Mitglied der Königlichen Akademie in Brüssel und übersetzte englischsprachige Lyrik. Sie verfasste aber auch selbst zahlreiche Gedichte sowie epische und dramatische Arbeiten. 1860 zog sie nach Darmstadt, wo sie bereits einige Jugendjahre verbrachte hatte. Hier starb Louise von Ploennies am 22. Januar 1872.