Dass in der Biblioteca Civica Angelo Mai in Bergamo Triosonaten von Georg Christoph Wagenseil entdeckt wurden, ist schon an sich ein Anlass zur Freude. Denn die kleinen Meisterwerke sind nicht nur ein phantasievolles Hörvergnügen, sie bieten auch den Instrumentalisten – vor allem durch die nahezu solistischen Parts der Flöte und Violine – eine reizvolle Repertoireerweiterung. Doch damit nicht genug.
Die Musikhistorikerin Dagmar Glüxam ordnet Wagenseils Werke in ihrem aufschlussreichen Booklet-Beitrag in den kulturellen Kontext des 17. und 18. Jahrhunderts ein, der von der Tonkunst die detailreiche Nachahmung menschlicher Affekte verlangte. Melodie, Rhythmus und Harmonik, Tonart, Besetzung, Tempo und viele andere Parameter spiegelten Freude und Trauer, Hoffnung und Verzweiflung, Unruhe und Zustände seelischen Gleichgewichts.
Die Übergänge waren oft fließend. In Wagenseils Preziosen begegnen uns auf engstem Raum (auch innerhalb von Sätzen, die durch ihre Tempobezeichnung klar charakterisiert scheinen) ganz unterschiedliche Gefühlsregungen – bis hin zu humoristischen Anwandlungen, wie sie das abschließende Allegro der ansonsten eher tragischen 7. Sonate zeigt.
Sieben der 17 in Bergamo gefundenen Triosonaten liegen nun als Ersteinspielung vor. Das Ensemble Klingekunst gestaltet den Noten-, aber auch den Subtext mit historischem Bewusstsein, Präzision und Spielfreude. Dabei liefern sich Sieglinde Größinger (Traversflöte) und Dimitris Karakantas (Barockvioline) einige spektakuläre Duelle und Duette. Für die feinsinnige Begleitung sorgen Pavel Serbin (Barockcello) und Maja Mijatović (Cembalo).
Georg Christoph Wagenseil: Triosonaten Nr.1, 4, 6, 7, 9, 10, 17 für Flöte, Violine und Bc, cpo