Archäologie an der Gedenkstätte Augustaschacht

Der Augustaschacht in Hasbergen weist eine wechselvolle Geschichte auf: 1876 als Pumpenstation für das Stahlwerk Georgsmarienhütte eingerichtet, wurde das Schachtgebäude mit Beginn des Zweiten Weltkriegs zum Lager für französische Kriegsgefangene umfunktioniert und ab Januar 1944 auch als „Arbeitserziehungslager“ genutzt. Mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte beschäftigt sich auch die Osnabrücker Archäologie.

Von Januar 1944 bis April 1945 betrieb die Gestapo das „Arbeitserziehungslager“ (AEL) Ohrbeck. Diese AELs der Geheimen Staatspolizei waren als nationalsozialistische Verfolgungs- und Terroreinrichtungen fester Bestandteil im Zwangssystem des „Dritten Reiches“. Laut Gestapoakten wurde die Inhaftierung mit „Arbeitsbummelei“, „Arbeitsuntreue“, „Arbeitsvertragsbruch“ oder „Arbeitsverweigerung“ begründet und dauerte im AEL Ohrbeck in der Regel sechs Wochen bis drei Monate.

Es herrschten lebensbedrohliche Bedingungen und die Gefangenen waren der willkürlichen und unmenschlichen Behandlung des Wachpersonals ausgesetzt. Ziel war es, den Willen der AEL-Häftlinge zu brechen, sie gefügig zu machen und in diesem Zustand wieder an ihre Arbeitsplätze in den Betrieben zurückzuführen. Zwischen Januar 1944 und der Befreiung im April 1945 waren insgesamt 2.000 Männer und Jugendliche aus 17 europäischen Ländern im Arbeitserziehungslager Ohrbeck inhaftiert.

Sich der Vergangenheit entgegen graben…

Zudem gab es Zehntausende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Region Osnabrück. Eine von ihnen ist Antonina Sidoruk, die 1942 mit nur 14 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland deportiert wurde und in Osnabrück für die Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerke AG (OKD) Zwangsarbeit leisten musste. Nicht nur Gespräche mit Zeitzeuginnen wie Antonina Sidoruk liefern wichtige Belege für die Verbrechen des Nazi-Regimes, die Menschen aus ganz Europa geprägt haben und bis heute nachwirken. Auch materielle Hinterlassenschaften und Fundstücke stehen für persönliche Geschichten und können Geschichte erzählen.

Zusammengefaltete Banknoten aus einer Metallkassette: 20 Reichsmark (1929), 10 Reichsmark (1929) und 5 Reichsmark (1942)

So rücken Gedenkstätten seit einigen Jahren näher in den Fokus der archäologischen Arbeit, denn Archäologie beschäftigt sich nicht ausschließlich mit „uralten“ Dingen, sondern setzt sich auch mit der jüngeren Vergangenheit auseinander. Zwischen 2009 und 2019 fanden archäologische Ausgrabungen auf dem Gelände der Gedenkstätte Augustaschacht statt, betreut durch die Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück in Kooperation mit der ökumenischen Organisation für Versöhnung und Verständigung Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. (ASF), der Freiwilligenorganisation Service Civil International (SCI) und der Christlichen Arbeiterjugend Osnabrück (CAJ).

Dank der Jugendgruppen mit über 300 Teilnehmenden aus 23 Ländern konnten in jeweils mehrwöchigen Sommerworkshops wichtige Erkenntnisse über die Strukturen des ehemaligen „Arbeitserziehungslagers“ Ohrbeck gewonnen werden. Beispielsweise wurden die Latrinen, das Kesselhaus aus den 1870er Jahren und die Pflasterzufahrt zum Lager freigelegt.

… und Geschichte(n) erleben

Während der Ausgrabungen wurden zahlreiche Gegenstände des persönlichen Bedarfs, z.B. Besteck, Essgeschirr, Knöpfe, Taschenmesser und Sohlen von Arbeitsschuhen, gefunden. Dabei handelt es sich vermutlich nicht nur um Dinge von Lagerinsassen, sondern auch von Menschen, die nach Auflösung des Lagers hier am Augustaschacht untergebracht waren. In den Jahren 1945 bis 1970 diente das Augustaschachtgebäude als Wohnhaus für Ausgebombte, Flüchtlinge und Displaced Persons. In dieser Zeit war der Ort Zeuge der großen Existenznöte und -sorgen, die viele Familien der unmittelbaren Nachkriegszeit umtrieben.

Besteck, Taschenmesser ggf. Werkzeuge

Die Dokumentation der archäologischen Funde vom Augustaschacht trägt zu einer umfangreichen Aufarbeitung bei, ermöglicht ein tiefergreifendes Verständnis der damaligen Lebensumstände, macht die Vergangenheit des Ortes „greifbar“ und für die Vermittlungsarbeit der Gedenkstätte zugänglich. Objekte wie Gefangenenmarken, Offiziersknöpfe, Patronenhülsen, Reichsmarkscheine bis hin zu Spielzeugfiguren verkörpern eine vergangene Lebensrealität und ermöglichen einen Brückenschlag zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit.

Die archäologischen Funde schaffen einen neuen Zugang zur Geschichte des Ortes. Sie ergänzen auch die neue Dauerausstellung „Polizeigewalt und Zwangsarbeit“ in der Gedenkstätte Augustaschacht, die im Frühjahr 2020 eröffnet wurde.