Aufbruch zu neuen Ufern

Ihr viel zu früher Tod und die politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts drohten aus Vítězslava Kaprálová eine Randnotiz der Musikgeschichte zu machen. Doch seit einigen Jahren ist das Interesse an der ersten tschechischen Komponistin und Dirigentin wieder erwacht.

Vater Václav hatte noch bei Leoš Janáček studiert, die 1915 geborene Vítězslava lernte ihr Handwerk u.a. bei Vítězslav Novák und Václav Talich, ehe sie in Paris Schülerin und vertraute Freundin ihres Landmanns Bohuslav Martinů wurde. Nach ersten Kompositionsversuchen schuf sie ab Mitte der 1930er Jahre in fliegender Hast mehrere Dutzend eindrucksvolle Werke für unterschiedlichste Besetzungen – immer auf der Suche nach einem eigenen, expressiven, unverwechselbaren Stil, dem sie bis zu ihrem viel zu frühen Tod im Jahr 1940 näher und näher kam.

Auch der durchaus repräsentative Querschnitt, den das University of Michigan Symphony Orchestra unter der Leitung von Kenneth Kiesler, eingespielt hat, trägt unbestreitbar originelle Züge. Zwar könnte man Einflüsse von Bartok, Strawinsky, „Les Six“ und natürlich Martinů ebenso aus den Werken herausdestillieren wie Spuren zeitgenössischer Jazzmusik oder mährischer Folklore. Doch das Ergebnis ist zweifelsohne Kaprálová – so wie Strawinsky Strawinsky und Martinů Martinů ist.

Zu den Höhepunkten ihres Werks zählt die gerade fünfzehnminütige „Militär-Sinfonietta“ op. 11, welche die Komponistin selbst mit der Tschechischen Philharmonie und dem BBC Symphony Orchestra aufführte. Das betont unpathetische Stück solle keinen Krieg beschwören, aber die psychologische Notwendigkeit verdeutlichen, das zu verteidigen, was einer Nation an heiligsten sei, gab Vítězslava Kaprálová zu Protokoll – und schrieb so etwas wie einen abstrakten Marsch voll Zuversicht und schillernder Klangfarben.

Eine weitere Entdeckung besonderer Art ist das fantastische Klavierkonzert d-moll (1934-35), das sich förmlich aus der Spätromantik heraustastet, um neue melodische und rhythmische Möglichkeiten zu erkunden. Amy I-Lin Cheng nähert sich der Rarität spiel- und experimentierfreudig und trägt – wie der Tenor Nicholas Phan, der die Orchesterlieder „Smutný večer“ (Sad evening) und „Sbohem a šáteček“ (Waving Farewell) interpretiert – dazu bei, für Vítězslava Kaprálová einen Platz in der Musikgeschichte zurückzugewinnen.

Vítězslava Kaprálová: Prélude de Noël, Military Sinfonietta op. 11, Sad Evening; Waving Farwell op. 14, Suite en miniature op. 1, Piano Concerto in D minor op.7, Naxos