Johann Christoph Friedrich Bach (1732-95) gilt gemeinhin als der musikalisch unbedeutendste der komponierenden Bach-Söhne. Dass er den Grafenfamilien zu Schaumburg-Lippe jahrzehntelang als Hofmusiker diente, mag zu diesem Verdikt beigetragen haben, denn Bückeburg gehörte nicht gerade zu den elektrisierenden kulturellen Zentren des 18. Jahrhunderts.
Andererseits wirkte genau dort einer der bedeutendsten und einflussreichsten Vordenker seiner Zeit. Johann Gottfried Herder – Aufklärer, Stürmer und Dränger und schließlich Weimarer Klassiker – prägte die geistige Entwicklung der Epoche wie kaum ein anderer. Seine sprach-, religions- und kulturkritischen Ideen setzten neue Maßstäbe und hinterließen auch in der Zusammenarbeit mit Johann Christoph Friedrich Bach deutliche Spuren.
Herders Libretto zum 1773 uraufgeführten Oratorium „Die Auferweckung des Lazarus“ verzichtet nicht nur auf die italienische Sprache, sondern auch auf eine strenge liturgische Einbindung. Text und Musik sollen unmittelbar miteinander korrespondieren, menschliche Gefühle in ihrer ganzen Tiefe erfahrbar gemacht werden.
Herder und Bach gönnen den Stationen Klage-Erweckung-Jubel nicht viel Beiwerk. Arien, Rezitative und Chöre sind überdies rein inhaltlich und nicht im Sinne der Werkökonomie verteilt. Gleichwohl enthält das knapp einstündige Werk eine Reihe überaus schöner, wirklich hörenswerter Stücke, angefangen bei dem ergreifenden Arioso „Maria, über dem Grabe“ bis zu dem luziden Duett „Ach Bruder, wieder mir gegeben“ und den fünf (!) stimmungsvollen Schlusschören, denen noch eine Tenorarie folgt.
Der Live-Mitschnitt, der im November 2021 in der Leipziger Paul-Gerhardt-Kirche entstand, überzeugt durch ein besonders transparentes Klangbild und die herausragende Interpretation des jungen Gellert Ensemble, das sich unter der Leitung von Andreas Mitschke einmal mehr um eine Nische des Repertoires verdient gemacht hat.
Johann Christoph Friedrich Bach: Die Auferweckung des Lazarus, CD, Genuin