Berliner, Juden und Rebellen

Die Geschichte Berlins ist eng verwoben mit den Menschen, die hier leben und wirken. Das ist heute nicht anders als in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten. Vor allem die Jugendkultur hat immer wieder massiven Einfluss genommen. Mit der Neuveröffentlichung „Berliner Rebell*innen. Wie junge Jüdinnen & Juden die Geschichte Berlins prägten“ bietet der Ariella Verlag nun einen besonderen Zugang zu Leben und Wirken einiger ausgewählter jüdischer Personen, die in ihrer Jugend Berlin geprägt haben. Hierfür hat der Autor, Historiker und Reiseführer Ronen Altman-Kaydar einige seiner bevorzugten Streifzüge durch die Hauptstadt aufbereitet und für Interessierte zu detaillierten Rundgängen ausgearbeitet.

„Ihre gemeinsame Geschichte ist die Geschichte des Umbruchs, der Veränderung der gesellschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, von der ich eine Vielzahl von Möglichkeiten aufgezeigt habe, um verständlich zu machen, wie unterschiedlich junge Menschen über die Jahrhunderte hinweg als Jüdinnen und Juden in Berlin lebten“, so der Autor in seinem Vorwort.

Genau diese Vielfalt ist es, die „Jüdische Rebell*innen“ so wertvoll macht: Als Lesenden wird uns ermöglicht, ohne großen Aufwand die Lebenswelt der vorgestellten Persönlichkeiten nachzuvollziehen und sogar nachzuempfinden. Denn wer die (Lebens)Wege dieser jungen Menschen anhand der aufgezeigten Routen verfolgt, sieht Berlin vor historischer Kulisse durch ihre Augen. Es ergeben sich neue Perspektiven, der Blick wird geschärft für historische Details und gesellschaftliche Entwicklungen.

Dieser Reiseführer bietet einen äußerst frischen Ansatz für individuell gestaltete Touren durch die Hauptstadt. Die ausführlichen Hintergrundinformationen und die historische Einordnung machen jeden Spaziergang zu einer lehrreichen und spannenden Angelegenheit, die sicherlich lange nachwirken wird. Hierzu tragen auch die Steckbriefe mit biographischen Angaben sowie die zahlreichen Fotos und Abbildungen bei, die Leben und Wirken der vorgestellten Jüdinnen und Juden illustrieren, bei.

Auf diesen Rundgängen lernen wir völlig unterschiedliche Menschen kennen: Den Philosophen Moses Mendelssohn, die Gründerin des ersten Berliner Literatursalons Henriette Herz, die Komponistin Fanny Mendelssohn, die Revolutionäre Ferdinand Lassalle, Stephan Born, Alexander und Moritz Goldmann, den Kaufmann Adolf Jandorf (u.a. durch die Gründung des KaDeWe bekannt), den LGBTQ-Aktivisten Johannes Holzmann (auch bekannt als Senna Hoy), die Leistungssportlerin Martha Jacob, den Widerstandskämpfer Heinz Abrahamson (später unter dem Namen Zvi Aviram bekannt).

Zweisprachige Ausgabe

Besonderes Lob verdient die Gestaltung des Buches. Denn es lässt sich gewissermaßen in zwei Hälften teilen: Der deutschsprachige Part wird, wie gewohnt, von links nach rechts gelesen, bevor man in der Mitte an das Ende dieses Parts gelangt. Die Lesenden, die des Hebräischen mächtig sind, können diesen besonderen Reiseführer alternativ auf der anderen Seite aufschlagen und von rechts nach links lesen. Somit eignet sich die Lektüre nicht nur für die deutschsprachige Zielgruppe, sondern lädt beispielsweise auch jüdische Gäste aus dem Ausland ein, sich auf die Spuren der jungen Jüdinnen und Juden in Berlin zu begeben.

Dank des kompakten Formats, das den üblichen Abmessungen von Reiseführern entspricht, lässt sich das Buch hervorragend auf die Touren mitnehmen, Informationen können unmittelbar vor Ort nachgeschlagen werden.

Mein Fazit: Gerne mehr davon! Dort draußen gibt es noch viel zu entdecken!

Ronen Altman-Kaydar: Berliner Rebell*innen. Wie junge Jüdinnen & Juden die Geschichte Berlins prägten, Ariella Verlag 2022, 16 €