Beruf: Komponistin

Sie war eine der ersten Frauen, die aus ihrer Passion einen regulären Beruf machen wollten. Doch Mit- und Nachwelt dankten es Emilie Mayer (1812-83) nur sehr bedingt.

Dass auch Frauen eigenständige Kunstwerke schaffen können, ist für das 19. Jahrhundert nahezu unvorstellbar. Die Gesellschaft hat eine andere Rolle für sie vorgesehen, doch es gibt manche, die sich den strengen Vorgaben nicht fügen wollen. So etwa Emilie Mayer, die 1812 im mecklenburgischen Friedland geboren wird. Die gutbürgerliche Herkunft könnte ihr ein sorgenfreies Leben garantieren, doch die junge Frau will auf eigenen Beinen stehen. In Stettin nimmt sie Unterricht bei Carl Loewe, Mitte der 40er Jahre zieht sie nach Berlin.

Emilie Mayer heiratet nicht und bleibt kinderlos. Sie lässt sich mit der Bezeichnung „Componistin“ ins Berliner Adressbuch eintragen und versucht alles, um ihre Arbeiten in die Öffentlichkeit zu bringen. Zunächst durchaus mit Erfolg. Mayers Orchesterwerke und Kammermusiken werden – inner- und außerhalb Berlins – aufgeführt, beklatscht und rezensiert. Allerdings fast immer aus der männlichen Vogelperspektive, die sich schließlich auf das gönnerhafte und inhaltlich höchst zweifelhafte Etikett „weiblicher Beethoven“ verengt. Mayer stirbt 1883, ihre Werke verschwinden bald darauf in den Archiven.

Mehr als 100 Jahre später erwacht das Interesse an ihrem außergewöhnlichen Leben und Werk neu. Die Forschung entdeckt Emilie Mayer für sich, außerdem spielt sie eine wichtige Rolle in dem Dokumentarfilm „Komponistinnen“ von Tim van Beveren und Kyra Steckeweh (2018). Ihre Werke erklingen in Konzerten und Radioprogrammen, werden aber auch auf Tonträger eingespielt. Das Label cpo übernimmt hier – wie so oft – die Vorreiterrolle und veröffentlicht neben Symphonien, dem Klavierkonzert B-Dur und anderen Orchesterwerken auch Kammermusik.

Der jüngste Coup der preisgekrönten Raritätensucher aus Georgsmarienhütte ist die Einspielung von drei Violinsonaten, die Emeline Pierre Larsen und Sabine Weyer in einer höchst dynamischen, aber auch klug proportionierten Interpretation vorstellen. Der Begleittext von Bert Hagels bietet dazu eine Analyse, die den faszinierenden Höreindruck noch einmal vertieft und an vielen Details zeigt, wie diese Komponistin aus dem eigenen Genius und der musikalischen Formensprache ihrer Zeit originäre Kunstwerke schuf. Die eingängigen, aber doch gediegenen und lange nachklingenden Melodien, die kunstvolle Verarbeitung der Themen und der souveräne Umgang mit Harmonien und Satzstrukturen könnten diesen kaum bekannten Werken durchaus einen Platz im Repertoire sichern. Und in absehbarer Zeit wird es dort noch enger: Denn Emilie Mayer hat mindestens neun Violinsonaten komponiert, von denen sieben erhalten geblieben sind.

Emilie Mayer: Three Violin Sonatas (Violinsonaten Vol.1), cpo