Es war ein außergewöhnliches Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte, das bis heute kaum bekannt ist: Im April 1949 besetzte das Königreich der Niederlage mit Zustimmung der westlichen Alliierten rund 70 Quadratkilometer des deutschen Staatsgebiets. Dazu gehörte auch die Gemeinde Elten, die in der Folge ein frühes Wirtschaftswunder erlebte. Eine neue Dokumentation im Auftrag von WDR und Arte zeichnet ihre Geschichte nach.
Wegen der furchtbaren Verbrechen, die bis Kriegsende von deutschem Boden ausgegangen waren, sahen die Bürger von Elten dem „Einmarsch“ niederländischer Soldaten am 23. April 1949 mit einigen Befürchtungen entgegen.
Doch den Nachbarn, die vergeblich auf ein Bekenntnis zu historischer Verantwortung, Worte der Entschuldigung und angemessene finanzielle Wiedergutmachungsangebote gewartet hatten, ging es nicht darum, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Die Annexion diente vor allem als Pfand für ausstehende Reparationszahlungen.
14 Jahre lang stand Elten – wie einige andere Gebiete an der deutschen Westgrenze – unter niederländischer Verwaltung und in dieser Zeit entwickelten sich nach anfänglichem Misstrauen auf beiden Seiten gute und enge Beziehungen. Elten wurde schließlich sogar ein beliebtes Ausflugsziel für niederländische Wochenendausflügler, bekam staatliche Subventionen von hüben und drüben und so waren längst nicht alle Einwohner der prosperierenden Kommune der Meinung, man müsse zwingend wieder in die Bundesrepublik zurückkehren.
Gesetzliche Bestimmungen wurden mitunter großzügig ausgelegt – am weitesten und zum letzten Mal in der sogenannten „Butternacht“. Als die annektierten Landstriche am 1. August 1963 nämlich gegen eine Zahlung von 280 Millionen DM an die Bundesrepublik zurückgegeben wurden, erhielt Elten Besuch von mehr als 400 mit Fleisch, Kaffee, Getreide, Konserven oder Butter beladenen Lkws. Ihre Waren landeten durch die Grenzverschiebung unverzollt und unversteuert in der Bundesrepublik.
Die Dokumentation von Dietrich Duppel zeigt die mutmaßlich größte Schmuggelaktion der bundesdeutschen Geschichte auf bislang unveröffentlichten Normal-8-Filmen und lässt neben einem Protagonisten der „Butternacht“ weitere Zeitzeugen und Historiker zu Wort kommen. Dabei beschränkt sich der Film allerdings nicht auf bunte historische Aspekte, sondern zeichnet auch die vielen schweren Verwerfungen des deutsch-niederländischen Verhältnisses vom Dritten Reich bis zum November 1969 nach. Ende dieses Monats trug der Staatsbesuch von Bundespräsident Gustav Heinemann wesentlich zur Versöhnung der beiden Nachbarn bei.
„Spielball der Weltpolitik. Als Elten niederländisch wurde“ wird am 6. Mai 2021 um 20.15 Uhr auf arte ausgestrahlt. Vom 29. April bis 3. August 2021 ist die Dokumentation auch online verfügbar.