Selbst Freunde besonderer musikalischer Raritäten haben kaum eine Chance, auf Werke von Józef Kozłowzki zu treffen. Dabei ist allein sein „Requiem“, das nach 35 Jahren wieder auf Tonträger eingespielt wurde, nicht nur ein ästhetischer Gewinn. Es illustriert auch ein bemerkenswertes Kapitel der osteuropäischen Geschichte.
Es liegt nahe, die Totenmesse, die Józef Kozłowzki 1798 für seinen im russischen Exil gestorbenen Monarchen Stanislaus II. August Poniatowski schrieb, auch als Abschied von seiner fremdbestimmten, besetzten und zersplitterten Heimat zu interpretieren. Von der 3. Polnischen Teilung im Jahr 1795 bis zur Gründung der Zweiten Polnischen Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs vergingen mehr als 120 Jahre, in denen seinen Landsleuten die Selbstbestimmung und staatliche Souveränität vorenthalten wurde.
Auf der anderen Seite hatte Kozłowzki über weite Strecken seines Lebens enge Beziehungen zu Russland. Er war Soldat der russischen Armee, komponierte mit dem Marsch „Grom Pobedy, Rasdawaisja!“ die heimliche Nationalhymne und spielte im Musikleben St. Petersburgs über zwei Jahrzehnte eine entscheidende Rolle.
Auch das „polnische Requiem“ blieb schließlich nicht im ausschließlichen Besitz seines Heimatlandes. Als Zar Alexander I. 1825 starb und für den nominellen König von Polen nach einer römisch-katholischen Totenmesse gesucht wurde, erinnerte man sich an Kozłowzki, der sein Werk noch einmal überarbeitete.
Für ihre Neuaufnahme – der ersten seit einer noch in der Sowjetunion entstandenen Aufführung unter Vladimir Yesipov im Jahr 1988 – entschieden sich Hans Sørensen, der Programmdirektor des Singapore Symphony Orchestra, und Chefdirigent Hans Graf allerdings für die Fassung aus dem Jahr 1798, deren eindringlicher, intimer Charakter in besonderer Weise von Józef Kozłowzkis kompositorischen Fähigkeiten zeugt. Die Wucht des „Dies irae“ kommt in der Einspielung ebenso überzeugend zur Geltung wie das wundervoll-filigrane Duett zwischen Alt- und Sopranstimme im „Judex ergo“ oder die Beschwörung ewiger Ruhe, die im finalen „Requiem aeternam“ in der Lautlosigkeit versinkt.
Mit Olga Peretyatko, Olesya Petrova, Boris Stepanov und Christoph Seidl hat das Produktionsteam vier hochkarätige Solisten gewonnen, aber auch der Singapore Symphony Chorus und der Singapore Symphony Youth Choir passen sich gut in das spätklassische und bisweilen schon frühromantische Klangbild ein. Gleiches gilt für das umsichtig agierende Singapore Symphony Orchestra unter der souveränen Leitung von Hans Graf.
Józef Kozłowzki: Requiem, Pentatone