Bilder, die noch nie gesehen wurden

Seit annähernd sechs Jahrzehnten gehört Werner Herzog zu den bedeutendsten, weil stilbildendsten Filmemachern. Auskünfte über sein Leben und Werk gibt er allerdings nur selten. Für Thomas von Steinaecker machte der Kultregisseur eine von wenigen Ausnahmen. Seine Dokumentation „Werner Herzog – Radical Dreamer“ ist nun auf arte zu sehen – zusammen mit drei Meilensteinen der Filmgeschichte.

Der Filmbiograf folgt Herzogs Spuren im Wesentlichen chronologisch von der Kindheit im oberbayerischen Sachrang über die bahnbrechenden Arbeiten der 1960er und 70er Jahre bis hin zu den ganz unterschiedlichen US-Produktionen der jüngeren Vergangenheit. Dabei werden eklatante Unterschiede zwischen Herzogs Geburtsland und seiner Wahlheimat deutlich. Denn während hierzulande manch Kinogänger glauben mag, der inzwischen 81-jährige habe seine Karriere nach „Fitzcarraldo“ (1982) mehr oder weniger beendet, gilt er in den USA gerade wegen der dann folgenden Arbeiten bis heute als Star der Filmszene.

Thomas von Steinaecker macht die Konstanten dieses einzigartigen Oeuvres deutlich. Mit Blick auf „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972) sprach Herzog einst „von der „Suche nach ganz neuen Bildern, nach Bildern, die noch nie gesehen worden sind im Kino“. Der Blick auf die Armee, die aus den Wolken einen Serpentinenpfad hinabsteigt, ist mittlerweile ein ebenso fester Bestandteil der Filmgeschichte wie die Sicht auf das mehr als 3.000 Tonnen schwere Dampfschiff, das in „Fitzcarraldo“ über einen Hügel gezogen wird oder die extremen Kameraperspektiven in „Nosferatu: Phantom der Nacht“ (1979).

Rund ein halbes Jahrhundert ist seither vergangen, doch wenn Christian Bale erzählt, wie er bei den Dreharbeiten zu „Rescue Dawn“ (2006) kopfüber mit einem Ameisennest im Kreis gedreht wurde, wird klar: Werner Herzog hat das Interesse an Grenz- und Ausnahmesituationen auch in Amerika nicht verloren. Dass er dabei immer wieder in mythische und traumhafte Regionen vorstößt, begründet den Titel der Dokumentation und die anhaltende Begeisterung für sein facettenreiches Werk.

Ausführliche Kommentare von Werner Herzog, der noch einmal an die Stätte seiner Kindheit zurückkehrt, ergänzt von Steinaecker um zahlreiche Szenen aus Spiel- und Dokumentarfilmen, Statements von Hollywoodstars wie Nicole Kidman, Christian Bale oder Robert Pattinson sowie Erinnerungen und Einordnungen der Kollegen Wim Wenders oder Volker Schlöndorff.

Die sehenswerte Dokumentation wird am 29. und 30. November von drei Spielfilmen des Meisters umrahmt. Nach „Rescue Dawn“ zeigt arte „Nosferatu: Phantom der Nacht“ und anschließend noch „Stroszek“ aus dem Jahr 1977.


  • Rescue Dawn, Spielfilm (2006), TV-Ausstrahlung auf arte am 29. November 2023 um 20.15 Uhr
  • Werner Herzog: Radikaler Träumer. Dokumentarfilm von Thomas von Steinaecker, TV-Ausstrahlung auf arte am 29. November 2023 um 22.15 Uhr, online verfügbar bis zum 28. Dezember 2023
  • Nosferatu: Phantom der Nacht, Spielfilm (1979), TV-Ausstrahlung auf arte am 29. November 2023 um 23.25 Uhr, online verfügbar bis zum 28. Februar 2024
  • Stroszek, Spielfilm (1977), TV-Ausstrahlung auf arte am 30. November 2023 um 01.10 Uhr