Bravourstücke für Trompete und Klavier

Konzerte des 20. Jahrhunderts sind die Domäne von Selina Ott. Für ihr neues CD-Projekt hat sich die junge Trompeterin mit der Pianistin Maria Radutu zusammengetan und erneut eine herausragende Einspielung vorgelegt.

Nachdem Ott auf ihren ersten beiden Tonträgern vorwiegend Raritäten präsentierte, beginnt sie nun mit einem modernen Klassiker. Dmitri Schostakowitschs „Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester“ hat zahlreiche berühmte Interpreten gefunden, denen Ott, Radutu und das hellwache ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Dirk Kaftan allerdings in nichts nachstehen.

Spannungsgeladen und gänzlich unverbraucht klingt dieser Geniestreich, der auf groteske Weise romantische Elegien und moderne Rhythmen mischt, Zirkusmusik, Fanfaren oder burleske Zitate einstreut und in einer wilden Hetzjagd endet, die Ott und Radutu reichlich Gelegenheit bietet, ihre Virtuosität, aber auch ihren absolut souveränen Umgang mit dem Notentext unter Beweis zu stellen.

Das Trompetenkonzert des Schostakowitsch-Freundes Mieczysław Weinberg, der seit einigen Jahren immer mehr Beachtung findet, ist ebenfalls eine spieltechnische Herausforderung ersten Ranges. Es entstand 1967 und wirkt streckenweise wie ein Pendant zu dem 34 Jahre früher komponierten Werk. Weinbergs Konzert ist weniger eingängig, in den dynamischen Abstufungen und rhythmischen Verästelungen aber ebenso ausgefeilt und gleichfalls wild entschlossen, den Richtlinien sowjetischer Kulturpolitik nicht wirklich zu entsprechen.

Mit einer ebenso brillanten wie dramaturgisch durchdachten Darbietung von André Jolivets „Concertino für Trompete, Klavier und Streichorchester“ (1948) gelingt schließlich der Brückenschlag ins westliche Europa. In nur zehn – Jolivet-typisch „magischen“ – Minuten wird deutlich, dass der musikalische Kontinent Mitte des 20. Jahrhundert von zahlreichen Verbindungslinien durchzogen war, aber auch völlig unterschiedliche Ausdrucksformen hervorbrachte.

Eine Zugabe braucht man nach dieser außergewöhnlichen Stunde eigentlich nicht – bekommt sie aber trotzdem: Selina Ott und Maria Radutu spielen zum Abschluss Rachmaninoffs „Ne poy, krasavitsa, pri me“ („Sing nicht, Du Schöne”) in einem wunderbar wehmütigen Arrangement für Trompete und Klavier.

Selina Ott / Maria Radutu: Konzerte für Trompete, Klavier und Orchester von Dmitri Schostakowitsch, Mieczyslaw Weinberg und André Jolivet, Orfeo