Cellostimmen

Italienische Kammermusik: Auf ihrer bei Tactus erschienenen CD spielen der Cellist Roberto Trainini und die Pianistin Stella Ala Luce Pontoriero Werke aus dem Kreis der italienischen Komponisten, die wegen ihrer nahe beieinander liegenden Geburtsjahre die „1880er“ genannt wurden.

Der biographische Zufall stiftete allerdings nur bedingt künstlerische Gemeinsamkeiten. Alfredo Casella, Giuseppe Mulè, Ottorino Respighi und Ildebrando Pizzetti ließen sich von ganz unterschiedlichen Vorbildern inspirieren, huldigten ihrerseits verschiedenen Formen und Schreibweisen und hätten sicher lange darüber streiten können, ob Italien auch im 20. Jahrhundert noch immer eine große Opernnation sein oder sich eher zu einer „musica puramente strumentale“ bekennen sollte.

Bei einer Besetzung für Cello und Klavier scheint die Entscheidung gefallen zu sein, doch der erste Eindruck täuscht. Denn dem Zauber der menschlichen Stimme erlag nicht nur Ildebrando Pizzetti bei seinen drei 1924 entstandenen Stücken, die er explizit als „Tre canti“ („Drei Gesänge“) bezeichnete. Auch Alfredo Casella entwarf im Adagio seiner 1906 entstandenen „Sonata per violoncello e pianoforte op.8“ große kantable Linien, während Ottorino Respighi ein nicht weniger sangbares Thema als Ausgangspunkt seines „Adagio con variazioni per violoncello e pianoforte P.133“ (1922) wählte.

Giuseppe Mulè vertraute dem Cello in seinem „Largo“ (1903) ebenfalls eine veritable Gesangsstimme an, die Roberto Trainini stilecht dahinschmelzen lässt. Temporeich inszeniert er dagegen den turbulenten Tanz aus Casellas Kabinettstückchen „Notturno e Tarantella“ (1929), doch Trainini beherrscht auch den noblen, mal grazilen, mal leidenschaftlichen Ton, der Pizettis „Gesänge“ durchzieht. Stella Ala Luce Pontoriero spielt sich selten in den Vordergrund, ist aber stets präsent, wenn dem Klavier mehr als eine begleitende Rolle zugedacht wird.

Eine musikalisch rundum gelungene Repertoireerweiterung, die den Hörer dennoch in bedrückter Stimmung zurücklässt. Bewiesen doch gerade diese vier Komponisten, die dem italienischen Faschismus mehr oder weniger nahestanden, dass Kultur und Bildung die Widerstandskräfte gegen Totalitarismus, Gewalt und Intoleranz nicht in jedem Falle stärken.

Alfredo Casella: Sonata per violoncello e pianoforte op.8 / Giuseppe Mulè: Largo per violoncello e pianoforte / Alfredo Casella: Notturno e Tarantella per violoncello e pianoforte op.54 / Ottorino Respighi: Adagio con variazioni per violoncello e pianoforte P.133 / Ildebrando Pizzetti: Tre canti per violoncello e pianoforte, Tactus