Chopins gelehriger Schüler und sein verhinderter Lehrer

Der Norweger Thomas Tellefsen wollte Unterricht bei Fréderic Chopin nehmen, landete aber vorerst bei Friedrich Kalkbrenner, der seinerseits gerne Chopin Klavierstunden gegeben hätte. Dieser lehnte dankend ab, hielt auf Kalkbrenner aber offenbar große Stücke und widmete ihm sogar sein 1. Klavierkonzert.

Die 86. Folge der hyperion-Reihe „The Romantic Piano Concerto“ vereint nun die beiden Komponisten, die im Langzeit-Wettstreit um die Publikumsgunst unzweifelhaft das Nachsehen hatten. Tatsächlich liegt über Thomas Dyke Acland Tellefsens erstem Klavierkonzert in g-moll der lange Schatten des Mannes, der schließlich doch sein Lehrer wurde und die Komposition 1847/48 womöglich auch persönlich betreute. Die formale Anlage und das Klanggewand orientieren sich am Erwartbaren, gleichwohl gelingen dem 1823 geborenen Tellefsen, der 13 Jahre jünger als Chopin und fast 40 Jahre jünger als Kalkbrenner war, bereits individuelle Akzente – etwa mit dem norwegischen Tanz, der das schwungvolle Finale dominiert.

Das 2. Klavierkonzert entstand 1853 und besticht vier Jahre nach dem Tod Chopins durch eingängige Melodien sowie eine originelle, durchaus komplexe Dramaturgie. Die schwelgerischen Läufe des ersten, das hinreißende Hauptthema des zweiten und die launige Tarantella des dritten Satzes dürften in jedem Konzert für Begeisterung sorgen – vor allem, wenn sie so brillant und stimmungsvoll dargeboten werden wie hier von Howard Shelley, der den Klavierpart übernimmt und die Nürnberger Symphoniker leitet.

Bravourtechnik der Extraklasse erfordert auch Friedrich Kalkbrenners „Grande Marche interrompue par Un Orage et suivie d’une Polonaise op. 93“. Das facettenreiche Tongemälde für Klavier und Streicher wird die seit langem diskutierte Frage, ob Kalkbrenner tatsächlich Chopins Idol oder nur ein Vorbild in Sachen Virtuosität und Selbstvermarktung war, nicht klären können. Unabhängig davon ist das 20-minütige Werk aber nicht nur eine pianistische Herausforderung ersten Ranges, sondern auch eine reizvolle Repertoireerweiterung.

Thomas Tellefsen: Klavierkonzerte Nr.1 & 2 / Friedrich Kalkbrenner: Grande Marche, Orage & Polonaise op. 93, hyperion