Das „Göttinger Ei“ nimmt wieder Fahrt auf

Es war ein aerodynamisches Wunderwerk, obendrein kraftstoffsparend, schnell und geräumig. Trotzdem wurde der „Schlör-Wagen“ jahrzehntelang ausgebremst. Nun entstehen gleich zwei Neukonstruktionen des Experimentalautos.

Dr. Ing. Karl Schlör von Westhofen-Dirmstein (1910-97) war der Erfinder der siebensitzigen Limousine, die den Spitznamen „Göttinger Ei“ wohl ihrem tropfenförmigen Aussehen verdankte. Schlör forschte seit 1936 bei der Aerodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen e.V. und entwickelte das Fahrgestell aus einem Mercedes 170 H, der von den Gebrüdern Ludewig in Essen karossiert wurde.

Der Schlör-Wagen soll bei Testfahrten eine Spitzengeschwindigkeit von 135 km/h und einen Luftwiderstandsbeiwert von gerade einmal Cw 0,113 erreicht haben – und das alles bei einem Kraftstoffverbrauch von 8 Litern auf 100 Kilometer. 1939 wurde der Wagen auf der IAA in Berlin vorgestellt, doch während des Zweiten Weltkriegs war an eine ernsthafte Weiterentwicklung nicht mehr zu denken.

Konstruktionszeichnungen aus dem Jahr 1937

Danach verlor sich die Spur des Schlör-Wagens, ein verkleinertes Originalmodell blieb allerdings erhalten. Als die Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) es 2007 im Windkanal testeten, stellten sie einigermaßen verblüfft fest: „Es kommt zu keinerlei Strömungsabrissen oder Verwirbelungen, die ein Fahrzeug bremsen würden. Als geradezu ideal erwies sich das lang hinuntergezogene Heck: Hier zeigte sich keinerlei Luftrückströmung, die bei den meisten Autos für erhöhten Luftwiderstand sorgt.“

Ein kleines Technikwunder, das weit über seine Entstehungszeit hinaus Maßstäbe setzte. „Der Schlör-Wagen war lange Zeit die konsequenteste Umsetzung der Aerodynamik im Fahrzeugbau. Er war quasi ein Flügel auf Rädern“, wird Prof. Dr. Andreas Dillmann vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik auf der Homepage des Hannoveraner Fördervereins Mobile Welten e.V. zitiert. Die Tüftler aus der niedersächsischen Landeshauptstadt wollen in den kommenden Jahren eine teilgeschnittene Variante bauen, um die Technik des Fahrzeugs nachvollziehbar zu machen.

Parallel wird in der Central Garage in Bad Homburg eine vollständige 1:1-Version des Autos entstehen. Im Zuge der Neubauten kann möglicherweise auch die Frage geklärt werden, ob eine wesentliche Schwierigkeit mit moderner Technik korrigiert werden kann. Die aerodynamischen Vorteile gingen vor mehr als 80 Jahren nämlich auf Kosten der Fahrsicherheit. Starker Seitenwind hätte den obendrein schwer lenkbaren Schlör-Wagen ins Schlingern gebracht. Die DLR-Forscher vermuteten allerdings schon 2007, dass elektronische Fahrassistenzfunktionen dieses Problem beheben könnten.

Mehr Informationen und Bilder auf: www.mobilewelten.eu.