Carlo Gesualdo, Komponist, Fürst von Venosa und mutmaßlicher Doppelmörder, gehört zu den rätselhaftesten Figuren der Musikgeschichte. Sein 5. Madrigalbuch erzählt eine verstörende Liebesgeschichte, die Philippe Herreweghe und das Collegium Vocale Gent neu interpretieren.
Die fünfstimmigen Madrigale, die erstmals 1611 veröffentlicht wurden, kreisen um die denkbar extremsten Gegensätze einer bedingungslosen Liebe, die zumindest hier auf Erden zum Scheitern verurteilt ist: Hingabe und Grausamkeit, Licht und Dunkelheit, schwärmerische Begeisterung und abgrundtiefe Verzweiflung, die Freude am Leben und die Sehnsucht nach dem Tod wechseln sich Zeile für Zeile ab, überbieten einander und verwandeln sich in ihr Gegenteil. „O miracol d´amore, ahi stran sorte: Che ´l viver non sia vita, e ´l morir morte!”, heißt es im zweiten Gesang: „Oh Wunder der Liebe, ach, sonderbares Schicksal, dass das Leben kein Leben ist und das Sterben kein Tod.“
Gesualdo entwarf für die Texte, die mehrheitlich wohl von Alessandro Guarini stammten, eine schillernde, expressive Klangkulisse, die Fachbegriffe wie tonal, modal, chromatisch, dissonant zwar beschreiben, ohne jedoch einen tatsächlichen Höreindruck zu vermitteln. Gerade in diesem Werk fand er einen unverwechselbaren Stil, der sich durch den freien, aber keineswegs bedenkenlosen Umgang mit der Tradition auszeichnete. „Die Abweichung von der Regel ist ein Tribut an diese“, resümiert Jorge Morales treffend im Begleitheft der CD.
Philippe Herreweghe und das Collegium Vocale Gent widmen sich dem Phänomen Gesualdo seit einigen Jahren, obwohl oder gerade weil ihr sonstiges Repertoire weniger experimentellen Charakter trägt. Ihre neueste Begegnung mit dem Fürsten von Venosa besticht durch Präzision und Natürlichkeit, Klangschönheit und Transparenz. Der lange Atem des erfahrenen Ensembles schafft wundervolle Übergänge, sodass aus 21 Madrigalen eine große Erzählung wird.
Carlo Gesualdo: Madrigali a cinque voci – Libro quinto, Outhere Music