Das Licht und der Brand

Von den 17 Oratorien, die Carl Loewe (1796-1869) hinterlassen hat, nahm die Musikwelt lange keine Notiz. Doch in den letzten Jahren kommt es wieder zu vereinzelten Aufführungen. „Jan Hus“ liegt nun auch auf Tonträger vor.

Warnungen gibt es genug auf dem Weg nach Konstanz: Freunde und Schüler beschwören den in Ungnade gefallenen Jan Hus, in der böhmischen Heimat zu bleiben. „Rom liebt den Brand“, meint der treue Hieronymus, „doch liebt es nicht das Licht.“ König Wenzel und seine Frau Sofia sehen ein schreckliches Ende voraus und die Zigeuner, die im 2. Akt seinen Weg kreuzen, versuchen den Reformator davon zu überzeugen, dass den Versprechungen von Kaiser Sigismund nicht zu trauen sei: „Freies Geleit, was ist freies Geleit? / Freies Geleit hat auch im Walde das Tier.“

Doch Jan Hus ist nicht bereit, von der fundamentalen Kritik kirchlicher Missstände, der Gewissensfreiheit aller Christenmenschen und der Erkenntnis zu lassen, dass die Heilige Schrift über dem Willen des Papstes stehen sollte. Am Ende wird er Opfer einer brutalen Machtpolitik, die Staat und Kirche noch jahrhundertelang verteidigen. Obwohl Papst Johannes Paul II. wenigstens Anteilnahme am persönlichen Schicksal des 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannten Predigers signalisierte, gilt Jan Hus aus Sicht des Vatikan bis heute als Häretiker.

Die Lehren und das Beispiel des böhmischen Märtyrers inspirierten gleichwohl unzählige Menschen, über den Sinn ihres Lebens und über den Raum nachzudenken, den religiöse Empfindungen und Institutionen darin einnehmen sollten. Zu ihnen gehörte offenbar auch der Stettiner Kantor Carl Loewe, der Jan Hus ein musikalisches Denkmal setzte, das einerseits in die Reihe der Mitte des 19. Jahrhunderts so beliebten Oratorien gehört, aufgrund seiner unverkennbar opernhaften Elemente aber auch eine Tendenz zur Bühne aufweist.

Dass Loewe nicht nur Balladen schreiben konnte, ist gerade in jüngster Zeit ➤ durch Einspielungen belegt worden. Die Vertonung des Librettos von August Zeune zeugt nun von seinen Erfahrungen als Kirchenmusiker und der souveränen Beherrschung des entsprechenden „Handwerks“, aber auch von einer bemerkenswerten Gestaltungskraft, die vor allem im dritten Teil deutlich wird. Die Arien von Barbara und Hus, der Chor der Flammengeister und die finale Chorfuge sind Höhepunkte der Einspielung, die mit einem ausdrucksstarken und besonders textverständlichen Ensemble aufwartet. Neben Georg Poplutz (Jan Hus), Thomas Gropper (Hirte), Ulrike Malotta (Zigeunerin) und ihren in mehrere Rollen schlüpfenden Kollegen Monika Mauch und Dominik Wörner sorgen die viel beschäftigten Arcis Solisten und L´arpa festante unter der Leitung von Thomas Gropper für eine stimmungsvolle Gesamtaufnahme.

Carl Loewe: Jan Hus, 2 CDs, Oehms Classics