Bestattungsplätze aus vor- und frühgeschichtlichen Zeitabschnitten sind eine wichtige Erkenntnisquelle für die Archäologie. Gräber werden nicht von ungefähr gerne als „Spiegel des Lebens“ bezeichnet, werfen sie durch ihre Grabbauten und -beigaben doch stets auch Schlaglichter auf die Welt der Lebenden in vergangenen Epochen.
Ob Brandbestattungen oder Körpergräber – beide Bestattungsarten zeugen nicht nur von der materiellen Kultur ihrer Zeit, sondern darüber hinaus von der Vorstellungswelt der Menschen, die in den Grabsitten ihren Ausdruck findet. Auch die sorgfältige Auswahl der Örtlichkeit für Friedhöfe gehört in diesen Kontext. Gelegentlich kam es dabei dazu, dass längst aufgelassene und in Vergessenheit geratene Gräberfelder Jahrhunderte später nochmals aufgesucht und neuerlich genutzt wurden, ohne dass dies den damaligen Menschen bewusst war.
In den vergangenen drei Jahrzehnten stand Gellenbeck in der Gemeinde Hagen a.T.W. schon des Öfteren im Blickfeld der Bodendenkmalpflege. 1995/96 und 1998 legte die Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück dort Ausschnitte des „Gellenbecker Gräberfeldes“ aus der vorrömischen Eisenzeit (ca. 700 v. Chr. bis Chr. Geb.) frei. Die damals beidseits der heutigen Antonius-Tappehorn-Straße vorgefundenen Brandbestattungen stammen aus den ersten Jahrhunderten der Eisenzeit bis 300/200 v. Chr.
Weitere Grabungskampagnen in den Jahren 1996 (frühmittelalterlicher Holzkastenbrunnen, 7. Jh.) und 2008 (frühmittelalterliche Grubenhäuser, 7./8. Jh.) zeigten, dass die heutige Ortslage Gellenbeck sich bereits seit vorgeschichtlicher Zeit als gut geeigneter Lebens- und Siedlungsraum anbot.
Eisenzeitliche Urnengräber
Seit Herbst 2022 wird ein Areal südlich der Grundschule Gellenbeck an der Görsmannstraße untersucht. Es liegt nur wenig westlich der vor 25 Jahren aufgedeckten Brandgräber des „Gellenbecker Gräberfeldes“. Da solche eisenzeitlichen Friedhöfe häufig eine erhebliche Ausdehnung aufweisen, wurden auf einem zur Bebauung vorgesehenen Areal zunächst Prospektionsgrabungen durchgeführt.
Gleich auf den ersten Metern des Suchschnittes zeichnete sich die erste Urnenbestattung im anstehenden Boden ab. Diese lag gut geschützt unter dem Plaggenesch, einem oft über Jahrhunderte angewachsenen Bodenauftrag von häufig mehren Dezimetern Mächtigkeit, der im Mittelalter/Neuzeit zur Ertragsverbesserung landwirtschaftlicher Nutzflächen diente.
Insgesamt fanden sich bislang zehn mehr oder weniger vollständige Urnen aus der vorrömischen Eisenzeit auf der Grabungsfläche. Zwei von ihnen waren zeittypisch mit einer Deckschale abgedeckt, andere waren von kreisförmigen oder quadratischen Umhegungsgräben eingefasst. Die Urnen wurden jeweils im Block geborgen, die Keramikgefäße also in Schichten aus Zeitungspapier, Folie und abschließend Gipsbinden eingewickelt, um Schäden durch Transport oder Trocknungsrisse vorzubeugen.
Die Gipsblöcke werden später in der Restaurierungswerkstatt geöffnet, der Urneninhalt (menschlicher Leichenbrand und vielleicht Beigaben aus gebranntem Ton oder Metall) untersucht und die Gefäße anschließend so weit wie möglich restauriert. Mit der Auffindung dieser Gräber bestätigte sich die vorab aufgestellte archäologische Prognose, hier den westlichen Randbereich des eisenzeitlichen „Gellenbecker Gräberfeldes“ zu erfassen.
Eher unerwartet zeigte sich noch ein zweiter Bestattungshorizont. Auf der Untersuchungsfläche, teils zwischen und neben den Brandgräbern, hoben sich zehn oder elf (?) rechteckige Gruben ab. Dabei handelt es sich um Grabgruben von Körperbestattungen. Allerdings fanden sich keine menschlichen Knochen mehr, da der Boden hier einen niedrigen pH-Wert aufweist. Unverbrannte Knochen können in einem derart sauren Boden nur ganz wenige Jahrhunderte überdauern. Über die Grabbeigaben u.a. ein Beigefäß, eiserne Messerklingen, eine Gürtelgarnitur sowie zahlreiche bunte Glasperlen (Abb. 4) lässt sich eine Datierung in das frühe Mittelalter (spätes 6.–8. Jh.) vornehmen.
Vermutlich sind diese Bestattungen ein Teilbereich des Friedhofs der frühmittelalterlichen Siedlung am Spellbrink, die 2008 nur etwas mehr als 300 m nordöstlich entdeckt worden war. In denselben Kontext wird auch der 1996 freigelegte Brunnen gehören. So ordnen sich Friedhof, Siedlung und Brunnen in das Spannungsfeld zwischen Franken und Sachsen im frühen Mittelalter sowie in die beginnende Christianisierung der Region ein.
Wie geht es jetzt weiter?
Zwar ist die Westausdehnung des Gräberfeldes der vorrömischen Eisenzeit nunmehr nachgewiesen, der Umfang des Friedhofs aus dem Frühmittelalter konnte jedoch noch nicht erschlossen werden. Zudem handelt es sich neben den Bestattungen des 8./9. Jhs. vom Schölerberg in Osnabrück erst um das zweite frühmittelalterliche Körpergräberfeld, das die 1975 gegründete Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück in ihrem Arbeitsgebiet mit zeitgemäßen grabungstechnischen Methoden erfassen konnte. Um die über das Osnabrücker Land hinaus bedeutsamen noch offenen Forschungsfragen zu klären, arbeitet sich das Grabungsteam Stück für Stück weiter im Bebauungsareal vor, damit die archäologischen Untersuchungen rechtzeitig vor Erschließungsbeginn beendet werden können.