Der Glückliche und sein anarchistischer Schwiegersohn

Bei Antonín Dvořák und Josef Suk liegt der Gedanke, in der Musik Spuren tatsächlicher Verwandtschaftsverhältnisse zu finden, besonders nahe. Doch längst nicht immer führt er zu so überzeugenden Ergebnissen wie bei der Neueinspielung zweier fantastischer Werke durch das Philharmonische Streichquartett Berlin.

„Unaussprechlich glücklich“ fühlte sich Dvořák, als er sein erfolgreiches Engagement in New York beendet hatte und wieder in die geliebte Heimat zurückgekehrt war. Das Ende 1895 entstandene G-Dur-Quartett op.106 bringt diese Begeisterung zum Klingen – von der Wiedersehensfreude, die den aufgeregten, groß dimensionierten Eingangssatz prägt, über die hymnische Ode an die Natur rund um sein Sommerhaus in Vysoká bis zu unbekümmerter Tanzlust und einer tief empfundenen Heiterkeit, von denen Scherzo und Finale beredtes Zeugnis ablegen.

Der böhmische Musikant spielt auch in diesem Quartett eine Hauptrolle, doch der musikalische Impuls wird in jedem Takt meisterhaft veredelt. Verschwenderische Farbspiele, kühne Harmonien und die mitunter bohrende Expressivität bilden ständig neue Ebenen unter der einladenden, vermeintlich überschaubaren Oberfläche. Die aufgeraute, spannungsgeladene Interpretation des Philharmonischen Streichquartetts Berlin lotet Dvořáks geniales Werk bis in die kleinsten Verästelungen aus und wahrt den langen Atem über die knapp 40minütige Spieldauer.

Die Uraufführung von Josef Suks zweitem Streichquartett, die 1912 in Berlin stattfand, geriet zu einem mittelschweren Eklat. Das durchkomponierte Werk war sperrig, kompromisslos, aber auch schwelgerisch, dann plötzlich hauchzart, alles in allem hyperromantisch und aus Sicht des geigenden Tonschöpfers eigentlich nur „rein absolute, nach fester, geschlossener Form strebende Musik“.

Er sei „zum schrecklichsten Anarchisten neben Schönberg gestempelt“ worden, meinte Suk später – nicht ohne augenzwinkernden Stolz auf die heftigen Reaktionen, die sein avantgardistischer Wurf hervorgerufen hatte. Die drei „Berliner Philharmoniker“ Helena Madoka Berg, Dorian Xhoxhi (Violine) und Kyoungmin Park (Viola) sowie der Cellist Christoph Heesch (Violoncello) markieren auch hier die Brüche und Verwerfungen, lassen den Strom der musikalischen Erfindungen aber gleichwohl ungehindert fließen.

Dass Suk trotz aller Ausbrüche mit beiden Beinen auf dem Boden einer langen Tradition stand, wird in dieser Einspielung ebenso deutlich wie die Unbeschwertheit, mit der sein Schwiegervater landläufige Hörerwartungen unterwanderte. Ein Familientreffen jenseits aller Klischees.

Josef Suk Streichquartett Nr.2, op.31, Antonín Dvořák: Streichquartett Nr.13, G-Dur, op.106, Philharmonic String Quartet Berlin, Decurio