Schwerin, der Regierungssitz des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, war im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eine vergleichsweise unbedeutende Residenz. Die Angehörigen des regierenden Fürstenhauses setzten weder national noch international sonderliche Akzente, gesteigertes Interesse vermochten sie bestenfalls auf dem hochadligen Heiratsmarkt zu erwecken. Eine der wenigen Ausnahmen verkörperte Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1857-1920).
Obwohl seine Thronberechtigung lediglich eine nachrangige war, gelangte er zweimal zur Regentschaft, und zwar in zwei verschiedenen deutschen Staaten. Am 11. April 1897 übernahm er in Schwerin von seinem verstorbenen Bruder Friedrich Franz III. (1851-97) für fast vier Jahre die Regierungsgeschäfte für seinen noch minderjährigen Neffen Friedrich Franz IV. (1882-1945), am 5. Juni 1907 in Braunschweig als eine Woche zuvor von der Landesversammlung erwählter Interimsherrscher für nahezu fünfeinhalb Jahre.
Als Regent vermochte er in beiden Fällen, seiner jeweiligen Residenz nur wenig nach Amtsantritt einen kurzzeitigen Hauch von Exotik in Gestalt des siamesischen Königs Chulalongkorn (1853-1910) zu vermitteln. Die beiden kannten sich seit einem Aufenthalt des Erstgenannten in Siam, der fast den gesamten Mai 1883 währte. In Schwerin empfing der Herzog den aus Potsdam anreisenden Monarchen vom 29. bis 31. August 1897, in Braunschweig den aus Kassel kommenden Gast vom 10. bis 13. August 1907: „Es war komisch,“ so schrieb der König am 10. August einer seiner im fernen Bangkok verbliebenen Töchter, dass Johann Albrecht „bei meinem letzten Besuch vor zehn Jahren zum Regenten von Schwerin ernannt worden war“ und „auch diesmal war er gerade im gleichen Monat zum Regenten von Braunschweig ernannt worden.“ Die beiden rahmensetzenden und zeitlich in etwa gleich ausgedehnten Europa-Aufenthalte Chulalongkorns – sie dauerten vom 7. April bis 15. Dezember 1897 bzw. vom 17. März bis 6. November 1907 – fanden allerdings unter völlig verschiedenen Vorzeichen statt.
Die erste, unter schwierigem politisch-diplomatischen Stern stehende Reise führte kreuz und quer über den Kontinent von Italien bis Schweden-Norwegen, von Portugal bis Russland in fünfzehn verschiedene Nationalstaaten. Bei der zweiten, von eher privaten Belangen getragenen Reise reduzierte sich diese Anzahl auf sieben, gleichwohl sie sich auch diesmal von Italien bis Norwegen erstreckte. 1897 motivierte Chulalongkorn der Expansionsdruck der rivalisierenden Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, die Siam als Pufferstaat zwischen ihren fernöstlichen Einflusssphären behandelten, sowie die Absicherung seiner modernisierenden Reform- und Bündnispolitik zur defensiven Behauptung seines Landes im Konzert der Mächte. 1907 motivierte ihn zwar auch die große Politik, namentlich die sogenannten ungleichen Verträge, mehr aber noch persönliche Aspekte: Ärztliche Behandlung bzw. Kurierung eines chronischen Nierenleidens in Baden-Baden bzw. Bad Homburg v.d.H., Besuch eines in Heidelberg studierenden Sohnes, Bereisung der norwegischen Fjordküste bis zum Nordkap, privative Treffen mit einigen der zehn Jahre zuvor kennengelernten Staatsoberhäupter.
In letzterer Hinsicht befand sich Johann Albrecht in der erlesenen Gesellschaft des deutschen Kaisers, der Könige von Italien, Großbritannien, Dänemark und Norwegen, des französischen Präsidenten und des Schweizer Bundespräsidenten sowie des Großherzogs von Baden. Ohne Zweifel wird sich der Herzogregent 1907 ebenso große Mühe gegeben haben, seinen Gast zu beeindrucken, wie schon 1897. Ungeachtet dessen dürfte die seinerzeit am Schweriner Bahnhof zur Begrüßung aufgezogene Ehrengarde dem König von Siam nicht annähernd so imponiert haben wie ihr 10.000 Köpfe starkes Pendant im – damals zu Russland gehörenden – Warschau knapp zwei Monate zuvor. Im Vergleich seiner beiden Besuche bei Johann Albrecht bemerkte der aufmerksame fernöstliche Gast 1907 im Übrigen: „Die Herzogin kam die Treppe hinab, um mich zu empfangen, denn wir kennen uns schon gut seit meiner Fahrt nach Schwerin. […] Ich hätte nie gedacht, dass sie so schwer krank sei, dass die Veränderung bereits sichtbar wäre.“
Indes war für Herzogin Elisabeth, auch wenn sich der siamesische König leicht enthusiasmiert über einen „wunderbar[en]“ Abendempfang des herzoglichen Paares gab, keine Schonung angezeigt: „Die arme Herzogin! Es strengte sie bestimmt sehr an. Sie musste mich den ganzen Tag begleiten.“ Immerhin begann das offizielle Programm bereits um 8.00 Uhr morgens, als sie ihn „im Wagen zum großen Exerzierplatz“ geleitete, um gemeinsam mit dem dort bereits präsenten Johann Albrecht eine „militärische Übung zu beobachten“. Vor dem abendlichen Dinner blieb ihr dann „nur eine halbe Stunde Zeit, um die Tischordnung zu überprüfen und sich umzukleiden. Heute musste es für sie unglaublich anstrengend gewesen sein, denn ihre Erschöpfung wurde auch nach außen deutlich.“ Während Chulalongkorn im Anschluss nach Köln und Paris weiterreiste, verstarb Elisabeth von Sachsen-Weimar-Eisenach kein Jahr später, am 10. Juli 1908, auf Schloss Wiligrad.