Der Protestant und der Heilige

Als Friedrich August I. im Jahr 1697 zum katholischen Glauben übertrat, geschah das nicht aus innerer Überzeugung. Der sächsische Kurfürst strebte die polnische Königskrone an und musste die Konfession wechseln, um seinen politischen Einfluss entscheidend vergrößern zu können. Für seine Untertanen sollte Augusts Karrieresprung ohne Folgen bleiben, doch so einfach war die Sache nicht.

Denn obwohl der Kurfürst den Sachsen kurz nach seiner Wahl zum König von Polen ein „Religionsversicherungsdekret“ ausstellte, das ihnen die Beibehaltung des evangelischen Glaubens garantierte, blieb seine Entscheidung im Stammland der Reformation umstritten. Für einen seiner Kapellmeister hatte sie noch Jahrzehnte später ungewöhnliche Folgen.

Johann David Heinichen (1683-1729) hätte für den Dresdner Hof eigentlich (konfessionsfreie) Opern schreiben sollen, doch als sich die Kastraten Senesino und Matteo Berselli bei den Proben zu seinem „Flavio Crispo“ überwarfen und für einen handfesten Skandal sorgten, setzte August der Starke seine berühmte Sängerriege kurzerhand vor die Tür.

Für Heinichen, der nicht nur Protestant, sondern auch Sohn eines evangelischen Pfarrers war, tat sich nun ein neues Betätigungsfeld auf. Er war künftig für die katholische Kirchenmusik und damit auch dafür zuständig, dass dem Heiligen Franz Xaver angemessen gehuldigt wurde. Hatte doch Kurfürstin Maria Josepha den Begründer der Jesuitenmission zum Patron Dresdens ernannt und sämtlichen ihrer 15 Söhne und Töchter den Beinamen Franz Xaver oder Francisca Xaveria gegeben.

In den 1720er Jahren vertonte Heinichen unterschiedliche liturgische Texte, deren Zusammenhang und Abfolge sich nicht mehr exakt rekonstruieren lässt. Die acht Kompositionen, die das Ensemble Polyharmonique mit dem Wrocław Baroque Orchestra unter Jarosław Thiel eingespielt hat, könnten eine Vesper zum Festtag Franz Xavers im Jahr 1724 gebildet haben. Die abschließende „Litaniae de Sancto Xaverio“ gehört ebenfalls in diesen zeitlichen und thematischen Kontext.

Dem konkreten Anlass verpflichtet, aber doch phantasievoll, elegant und lebensbejahend sind Heinichens Werke eine höchst dankbare Aufgabe für die Interpreten. Der vielfach solistisch beschäftigte Chor wird ihr ebenso umfassend gerecht wie die behänden Instrumentalisten. So klingt selbst die düstere Litanei am Ende beinahe schwerelos.

Johann David Heinichen: Dresden Vespers, Accent