Der Sturm vor dem Schweigen

In den späten 1920er Jahren zog sich Jean Sibelius aus der Öffentlichkeit zurück. Das „Schweigen von Ainola“, benannt nach der Villa des Komponisten in Järvenpää, dauerte bis zu seinem Tod 1957. Doch bevor er verstummte, schuf Sibelius einige seiner bedeutendsten Werke. Bis heute wenig bekannt ist die großangelegte Musik zu William Shakespeares „The Tempest“, die er für das Königliche Theater in Kopenhagen schrieb. Mit der Neueinspielung unter der Leitung von Okko Kamu kehrt das Werk an den Ort seiner Uraufführung zurück.

Dass Jean Sibelius die dänische Übersetzung des Shakespeare-Klassikers vertonte, war keine Überraschung, denn der Finne unterhielt gute Verbindungen nach Kopenhagen und war bis in die 1930er Jahre hinein der am häufigsten gespielte ausländische Komponist in Dänemark. Kein Wunder also, dass Sibelius in seinem letzten großformatigen Werk noch einmal alle Register zog, neben einem opulent besetzten Orchester auch Solostimmen, einen gemischten Chor und ein Harmonium verlangte und die Grenzen der Klangmagie noch einmal kräftig dehnte.

Die schillernden chromatischen Wogen machen die Ouvertüre zum wohl spektakulärsten Stück der Bühnenmusik, deren Spannung allerdings nie abfällt. Zu brillant und abwechslungsreich sind diese musikalischen Illustrationen eines literarischen Meisterwerks, in dem Machtgelüste und Liebeshändel, Mordanschläge und Friedensangebote durcheinander wirbeln. Ebenso hin- und hergerissen wird der Hörer von den ätherischen Liedern des Luftgeistes Ariel, denen ein Schlaflied für Miranda vorangeht, ehe ihm polternde Auftritte von Caliban und Stephano folgen – und dann gibt es da auch noch die mitreißenden und doch seltsam unheimlichen Tänze oder die triumphale Cortège, die den übernatürlichen Reigen schließt.

In den Solopartien der klangschönen, sehr ausbalancierten Einspielung, die 2021 im Kopenhagener Opernhaus entstand, sind Hanne Fischer, Kari Dahl Nielsen, Fredrik Bjellsäter, Palle Knudsen und·Nicolai Elsberg zu hören. Der Royal Danish Opera Chorus absolviert einen kurzen Auftritt, während das Royal Danish Orchestra unter der kundigen Leitung von Okko Kamu viele Gelegenheiten bekommt, seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen – und diese auch zu nutzen weiß.

Jean Sibelius: The Tempest op.109, Naxos