Mit der Regierungsübernahme Friedrichs II. im Jahr 1740 begann in Preußen auch kulturell eine neue Epoche. Der Cembalist Philippe Grisvard und das Ensemble Diderot beschwören mit vier Weltersteinspielungen die Aufbruchstimmung der Berliner Schule.
Johann Elias Bach war bereits 1742 überzeugt, dass von der kunstfeindlichen Einstellung des Soldatenkönigs nicht viel übrig bleiben würde. „In Berlin ist ia nunmehro das musicalische Seculum angegangen“, notierte der Großcousin von Johann Sebastian und tatsächlich gelang es dem neuen Monarchen in kürzester Zeit, seine Hauptstadt in ein kulturelles Zentrum zu verwandeln.
Neben Carl Philipp Emanuel Bach und den Graun-Brüdern Johann Gottlieb und Carl Heinrich zog es eine Reihe bedeutender Komponisten nach Berlin. Einige von ihren waren bereits in Ruppin und Rheinsberg Mitglieder der Hofkapelle des Kronprinzen gewesen und fast alle begeisterten sich für die immer mehr in Mode kommende Gattung der Solokonzerte. Philippe Grisvard und das von Johannes Pramsohler geleitete Ensemble Diderot hatten – trotz der freiwilligen Beschränkung auf Cembalokonzerte und bislang unveröffentlichte Werke – folgerichtig die Qual der Wahl.
Ihre Entscheidung hätte auch anders ausfallen können, das gibt Philippe Grisvard ebenso freimütig zu wie den unverkennbaren Einfluss des „Bach´schen Schattens“. Johann Sebastian und/oder Carl Philipp Emanuel seien „nie weit entfernt“. Der explosive Auftakt mit Christoph Nichelmanns furiosem Konzert in d-moll war in jedem Fall eine gute Wahl und das gilt auch für den oft nachdenklichen und ein wenig melancholischen Epilog, den Ernst Wilhelm Wolf in Leipzig oder Weimar komponierte und womöglich als Hommage an die Berliner Vorbilder verstanden wissen wollte.
Beide Konzerte inszenieren Solist und Orchester mit virtuoser Spielfreude und beeindruckender Präzision. Auch die Mittelstücke von Carl Heinrich Graun und Christoph Schaffrath enthalten einige Preziosen, die in dieser ersten und bereits Maßstäbe setzenden Aufnahme perfekt zur Geltung kommen. Es sind mitreißende Eindrücke eines kulturellen Neustarts, auch wenn sich die Hoffnung auf ein musikalisches Jahrhundert am Ende nicht so erfüllte, wie es sich einige Zeitgenossen erhofft hatten. Der kunstaffine Thronfolger leitete zwar bedeutende Reformen im Sinne der Aufklärung ein, forcierte aber auch ein autoritäres Staatsverständnis und einen aggressiven Militarismus.
Berlin Harpsichord Concertos. Werke von Christoph Nichelmann, Carl Heinrich Graun, Christoph Schaffrath und Ernst Wilhelm Wolf, Audax