Die Bekehrung des fröhlichen Jack

Dass es sich bei Albert Lortzing um den Meister höchst gefälliger, aber garantiert handzahmer Spielopern handelte, war allzu lange ein Missverständnis, welches sich das Theaterpublikum nicht nehmen lassen wollte. Bei näherem Hinschauen und -hören konnte es freilich nie Zweifel daran geben, dass man es bei dem Komponisten von „Zar und Zimmermann“, „Der Wildschütz“, „Der Waffenschmied“ oder „Undine“ mit einem überzeugten Republikaner zu tun hatte. Auch die jüngst wiederentdeckte Oper „Zum Groß-Admiral“ stellt sich auf die Seite derjenigen, die auf die politische Bevormundung durch nicht-gewählte Herrscher im Ernstfall verzichten könnten.

Der englische Prinz Heinrich hat Geburtstag, möchte seinen Ehrentag aber auf keinen Fall mit der angetrauten Gattin feiern. Er zieht einen Jagdausflug vor und macht anschließend das Gasthaus „Zum Groß-Admiral“ unsicher, wo er unter dem Namen des „fröhlichen Jack“ der Angebeteten des Pagen Eduard nachstellt. Doch Heinrich hat nicht mit dem Widerstand „seines“ Volkes gerechnet. Am Ende des Zweiten Aktes wird er des Diebstahls verdächtigt, mit dem Galgen bedroht und eingekerkert. Nun beginnt er darüber nachzudenken, ob er langsam damit anfangen sollte, nicht ausschließlich an sich selbst zu denken. Trotzdem bleibt zweifelhaft, ob die „holde Eintracht“, die von allen Beteiligten am Ende des dritten Aufzugs besungen wird, von Dauer ist. Dass der Prinz erneut aus dem Amt kippt und wieder als fröhlicher Jack durch die Lande zieht, scheint keineswegs ausgeschlossen …

„Der Musikgeschmack ist hier unter dem Luder und nur italienischer Kram und Straußische Walzer effektuiren und floriren. (…) Im Arsch mit Wien“, fluchte Lortzing im Dezember 1847 und gab die Uraufführung der neuen Oper an seine vormalige Wirkungsstätte Leipzig. Dort wurde „Zum Groß-Admiral“ positiv aufgenommen, später auch noch in Wien und München gespielt, aber dann verschwand das Werk für fast 150 Jahre von den Bühnen. Erst 2019 wurde es vom Theater Annaberg-Buchholz wiederendeckt, im selben Jahr folgte die konzertante Aufführung unter der Leitung von Ulf Schirmer, die nun auf CD vorliegt.

Adelskritische Spitzen verteilt der „Groß-Admiral“ reichlich, auch wenn ihm der revolutionäre Furor fehlt, der die dann folgende Freiheitsoper „Regina“ (1848) durchweht. Der musikalische Einfallsreichtum sprudelt allerdings nicht ganz so üppig wie in anderen Lortzing-Opern. Ohrwurmqualitäten hat neben der rasanten Ouvertüre sicher manch quirlige Ensembleszene, an einigen Stellen machen sich jedoch auch Längen und Inspirationslücken bemerkbar.

Die Solisten der Gesamtaufnahme lassen sich davon nicht beirren. Anett Fritsch (Catharina), Bernhard Berchtold (Heinrich), Julia Sophie Wagner (Eduard), Lavinia Dames (Betty), Jonathan Michie (Richard) und Martin Blasius (Copp Movbrai) überzeugen durch eine geschlossene Ensembleleistung, die an Präzision, Frische und Situationskomik nichts zu wünschen übrig lässt. Auch der Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung: Stellario Fagone) und das Münchner Rundfunkorchester und dem klug disponierenden Ulf Schirmer haben hörbare Freude an der ungewohnten Aufgabe.

Albert Lortzing: Zum Groß-Admiral, 2 CDs, cpo