Die Dauer gestalten

Werke für Violine und Klavier sind keine Seltenheit, ihre Kombination kann sehr wohl außergewöhnlich sein. Daniel Kurganov und Constantine Finehouse versammeln auf ihrer CD „Rhythm & The Borrowed Past“ ganz unterschiedliche Kompositionen, die Vieles gemeinsam haben.

Olivier Messiaens „Thème et variations” wurde 1932 uraufgeführt, das „Nocturne“ von John Cage 15 Jahre später. Lera Auerbachs 3. Sonate für Violine und Klavier und Richard Beaudoins Duo „In höchster Not“ entstanden im Jahr 2005. Alle vier Künstler waren also noch in einer relativ frühen Phase ihrer kompositorischen Entwicklung, als sie sich über die Beschäftigung mit rhythmischen Strukturen der Frage näherten, wie lang eine Note, eine bestimmte Phrase, ein ganzer Satz eigentlich dauern kann, soll oder muss.

In einem Beitrag für das CD-Booklet lässt Richard Beaudoin seine Überlegungen um den Begriff „rhythmic fluidity“ kreisen, der nicht nur als (spiel)technische Anweisung zu verstehen ist, sondern vor allem auf den zeitlichen und ästhetischen Kontext verweist, in dem Musik „via distillation and digestion“ auf Kompositionen der Vergangenheit reagiert, Material ausleiht und neu verarbeitet. So geschehen bei der eigenen Arbeit, die auf seinen Lehrer Michael Finissy Bezug nimmt. John Cage lässt derweil eine Erinnerung an Claude Debussy aufscheinen, während Messiaen und Auerbach sich schon rein formal an zeitlich Entferntes anlehnen, das jedoch individuell und experimentell verwandelt wird.

Wem das zu theoretisch klingt, findet bei Auerbach die praktische Umsetzung in Form eines kompakt organisierten, inhaltlich zwingenden, rhythmisch pointierten und doch stets fließenden Kunstwerks, das den Zuhörenden in der packenden Interpretation von Daniel Kurganov (Violine) und Constantine Finehouse (Klavier) schlichtweg begeistert.

Am Ende aber gehorchen alle vier Kompositionen der Forderung „Vif et passionné“, die Messiaen über die vierte seiner Variationen schrieb. Insofern haben wir es vielleicht mit einer werkübergreifenden „rhythmic fluidity“ zu tun. Um es mit Beaudoins Worten zu sagen: „Hören Sie, wie Kurganov und Finehouse die Dauer jedes Tons gestalten und Sie werden den lebendigsten Aspekt dieser vier Stücke hören.“

Rhythm & The Borrowed Past, Daniel Kurganov und Constantine Finehouse spielen Werke von Auerbach, Beaudoin, Cage, Messiaen, Orchid Classics