Die Eichen von Ivenack

Sie gehören zu den ältesten Bäumen Deutschlands und ihre Ansammlung auf engstem Raum ist in ganz Europa einmalig. In der mecklenburgischen Gemeinde Ivenack bei Stavenhagen stehen sechs Eichen seit ewigen Zeiten für Ruhe und Beständigkeit.

Im Volksmund heißen sie „Tausendjährige Eichen“, doch ganz so alt sind die gewaltigen Bäume neueren Untersuchungen zufolge nicht. Selbst die mächtigste Eiche, die auf eine Höhe von mehr als 35 Metern kommt, zählt wohl „nur“ rund 800 Jahre. Immerhin waren die Bäume, die auf fruchtbarem Grundmoränenboden wachsen, schon zu Napoleons Zeiten so groß, dass die Anwohner den legendären Zuchthengst „Herodot“ angeblich in einem hohlen Stamm vor den anrückenden Franzosen verstecken wollten. Vergeblich, denn Napoleon versuchte eine Zeitlang, das Glück der Erde auch vom Rücken dieses Pferdes zu erobern.

Regionale Sagen (➤ LINK) bringen die Existenz der Riesen wahlweise mit sündhaften oder mit schutzbedürftigen Nonnen in Verbindung. Der in Stavenhagen geborene, niederdeutsche Dichter Fritz Reuter sah hier „eine der Ruhe geweihte Oase“ in einem „rings von Mühe und Arbeit durchfurchten Lande“.  Doch auch die Ivenacker Eichen schauten lange auf Mühe und Arbeit herab. Handelt es sich doch um uralte Zeugen einer im Mittelalter üblichen Form der Landbewirtschaftung: Seinerzeit wurde das Vieh in sogenannte „Hutewälder“ getrieben, wo es vor allem die nachwachsenden Pflanzen fraß. Größere fruchttragende Bäume konnten sich unter diesen Bedingungen besonders gut entwickeln.

Die Gruppe ist über die Jahrhunderte kleiner geworden, doch dass sie hier noch steht, ist keineswegs selbstverständlich und rechtfertigt die Ernennung zum ersten Nationalen Naturmonument in Deutschland im Jahr 2016 und die jüngste Auszeichnung zum „Waldgebiet des Jahres 2020/21“.

 

Auf dem durch Wanderwege erschlossenen Gelände befinden sich neben den Ivenacker Eichen ein Tiergarten mit frei laufendem Dammwild, Turopolje-Schweinen, Konik-Pferden und einem barocken Pavillon, ein 620 Meter langer Baumkronenpfad und das sogenannte „Lieschengrab“. Zwei Gedenksteine erinnern hier an die leidenschaftliche, aber im 18. Jahrhundert nicht standesgemäße Beziehung des Landmädchens Anna Elisabeth Gielow zu einem Grafen aus Ivenack. Die junge Frau starb im Alter von nur 22 Jahren. Nach ihrem Tod ließ der Graf ein schlichtes Steindenkmal errichten, das die „Sehnsucht nach einem so teuren Haupte“ bewahren sollte.