Nachdem wir in der letzten Folge etwas über die Grundstrukturen von Geschichten gelernt haben, werfen wir nun einen Blick auf ihre einzelnen Teile. Die zentralen Elemente einer Geschichte sind zum einen der Protagonist, der die Handlung trägt und mit dem wir mitfiebern. Auf der anderen Seite brauchen wir einen Gegenpart oder Antagonisten, der sich dem entgegenstellt, was der Held will. So entsteht ein Konflikt, der die Handlung vorantreibt.
Wenn wir keinen Konflikt haben, gibt es für unseren Protagonisten keinen Grund, sich zu bewegen oder überhaupt aktiv zu werden. Ein berühmter Autor wurde einmal gefragt, ob diese ewige Handlung nicht unglaubwürdig sei und warum er nicht einmal einen Roman schreibe, in dem nichts passiere und der Protagonist nur am Strand herumliege. Er sagte, er habe schon öfter so einen Roman geschrieben – bloß wolle den niemand veröffentlichen.
Weitergedacht: Wer würde sich einen Film ansehen, in dem James Bond nur in einem Café sitzt, Zeitung liest, vielleicht ein oder zwei Martinis trinkt und dann ins Bett geht? Wahrscheinlich sehr wenige Zuschauer, vorausgesetzt, es gäbe überhaupt jemanden, der dieses Drehbuch schreiben und dann auch noch verfilmen würde.
Alle Filme, die wir sehen, alle Bücher, die wir lesen, sehen und lesen wir vor dem Hintergrund all dessen, was wir bisher gesehen und gelesen haben. Und vor diesem Erfahrungshintergrund haben wir eine bestimmte Erwartungshaltung an die Geschichte, die der Filmdramaturg, Drehbuchdozent und Storytelling-Berater Ron Kellermann ➤ ausführlich beschrieben hat. Wenn sich eine Geschichte plötzlich anders entwickelt als erwartet, kann es sein, dass wir eine Treppe hinuntergehen und eine Stufe fehlt. Für einen Moment haben wir keinen Halt – möglicherweise fallen wir ganz aus der Geschichte heraus.
Aber: Diese Strukturen sind kein Kochrezept, dem man strikt folgen muss. Die Kunst ist, mit ihnen zu spielen. Aber um mit ihnen spielen zu können, müssen wir sie erst einmal beherrschen. Ziel ist es, dass die Strukturen am Ende nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar sind. Sie sind das Fundament, der Rohbau einer Geschichte, aber wenn ein Haus fertig ist, ist es auch gut verputzt und verkleidet, so dass man den Rohbau nicht mehr sieht.
Nachdem wir uns jetzt einen Überblick über die Strukturen einer Story verschafft haben, werfen wir der in den nächsten Folgen einen Blick auf die Hauptpersonen.