Die Frau zu Kaisers Zeiten

Geschlechterrollen waren schon ein Thema als sie noch viel klarer verteilt waren. Im Mittelpunkt unserer neuen, abermals vierteiligen Reihe aus dem Archiv Historische Bildpostkarten stehen ganz unterschiedliche Blicke auf „die“ Frau zu Kaisers Zeiten. Zunächst betrachten wir eine Karte, die vom Berliner Verlag E. A. Schwerdtfeger & Co. AG herausgegeben wurde.

So zeigt sich eine Dame von Welt in großer Toilette etwa im Jahr 1910. Sie ist „ausgehfertig“ und kann sich sehen lassen in ihrem eleganten, hoch geschlossenen, eng anliegenden Kleid aus kostbarem Stoff, das die schlanke Taille besonders gut zur Geltung bringt.

Wie sie es allerdings schafft, auch nur einige Schritte zu gehen, ist rätselhaft. Das Kleid endet am Boden in einer Schleppe, einem dekorativen Arrangement aus Tüll und gestickten Borten. Damit muss die Trägerin fürchten, den Straßenschmutz aufzuwirbeln oder sich bei jedem Schritt auf den Saum zu treten und zu stolpern.

Auch der riesige Hut mit üppigem Federschmuck stellt eine Herausforderung dar. Er ist nur mit einem breiten Band und vorgerecktem Kinn in annehmbarer Position zu halten und erfordert ein vorsichtig balancierendes Gehen.

Darüber hinaus muss die Lady auch noch mit einem überdimensionalen Muff an ihrer Seite fertig werden. All das ist kein Vergnügen, wie ihr angestrengter Gesichtsausdruck zeigt, dient aber in der ‚feinen‘ Gesellschaft der Kaiserzeit dazu, als Frau gebührend wahrgenommen zu werden. Wie meint Natalie Bauer-Lechner*? „Solange ich sehe, daß die Weiber sich von ihrem Gewande koujonieren und tyrannisieren lassen, halte ich nichts von ihrer Emanzipation.“