Im Schatten Georg Friedrich Händels entwickelte sich John Christopher Smith (1712-95) zu einem versierten, vielseitig interessierten Musiker. Als Komponist fand er zunehmend seinen eigenen Stil, wie das Oratorium „The Seasons“ beweist.
Hätte Händel im Jahr 1716 nicht in Ansbach Station gemacht und Johann Christoph Schmidt (den Älteren) überredet, ihm nach London zu folgen, wäre Familie Smith wohl Familie Schmidt geblieben und der kleine Johann Christoph irgendwann Wollhändler geworden. So aber ließ er sich von der Musikbegeisterung des Vaters anstecken und wurde bereits im Alter von 15 Jahren Bratschist in Händels Orchester. Smith blieb dem berühmten Komponisten zeitlebens verbunden, auch wenn die beiden einige Interessenkonflikte zu überstehen hatten.
Denn der Jüngere wuchs mit den Jahren weit über die Rolle eines treuen Sekretärs und Kopisten hinaus. John Christopher Smith interessierte sich für Kunst und Wissenschaft, pflegte Kontakt zu Schriftstellern wie Jonathan Swift und Alexander Pope oder dem berühmten Schauspieler David Garrick.
Vor allem aber begann er selbst zu komponieren und schuf neben Instrumentalmusik und Opern auch mehrere Oratorien. „The Seasons“ (1740) basiert auf dem gleichnamigen Epos des schottischen Dichters James Thomson beziehungsweise der 1730 veröffentlichten Zugabe „Hymn on the Seasons“. Obwohl sich die empfindsame Landschaftsbetrachtung, das Gedankengut der Aufklärung und der elegante Stil der Frühklassik bereits ankündigen, handelt es sich doch vorrangig um einen Lobgesang mit bisweilen opulent-barocker Prachtentfaltung.
“The seasons, as they chance, almighty Father, are but the varied Deity.”
Die Schönheiten der Natur und die Veränderungen, welche die Jahreszeiten mit sich bringen, sieht Smith vor allem als Ausdrucksformen eines ewig schöpferischen Gottes – und den harmonischen Wechsel von Rezitativen, Arien und hymnischen Chören als Antwort der Musik auf die Weisheit und Güte des Allmächtigen.
Die ideenreiche Partitur bildet ein reizvolles Gegenstück zu Joseph Haydns mehr als ein halbes Jahrhundert später entstandenem Oratorium „Die Jahreszeiten“, das ebenfalls auf Thomsons Epos basiert, aber völlig andere Akzente setzt. Umso erfreulicher, dass nun auch „The Seasons“ in einer hochkarätigen Einspielung vorliegt. Die Solopartien sind mit der großartigen Emma Kirkby, dem Countertenor Tim Mead, Tenor Hans Jörg Mammel und Bassbariton Markus Simon erstklassig besetzt.
Auch der Smith-erfahrene Festivalchor Musica Franconia und das auf historischen Instrumenten spielende Ensemble „La Banda“ unter der Leitung von Wolfgang Riedelbauch tragen wesentlich zu einer äußerst inspirierten Darbietung bei.
John Christopher Smith: The Seasons, 2 CDs, Christophorus