Die drei Violinsonaten sind nicht die populärsten Werke von Edvard Grieg, markieren aber entscheidende Stationen seiner künstlerischen Entwicklung. Das Duo Natalia spielt sie mit Sinn für Proportionen und großer Leidenschaft.
Die vielleicht treffendste Charakterisierung der drei Werke stammt vom Komponisten selbst. Sie gehörten zu seinen besten und verkörperten verschiedene Stadien seiner Entwicklung, schrieb er in einem Brief im Jahr 1890 und ging anschließend noch ein wenig ins Detail: „Die erste Sonate ist naiv und reich an Ideen, die zweite nationalistisch, die dritte die mit dem weitesten Horizont.“
Tatsächlich steht der 1865 entstandene Erstling noch unter dem Eindruck seiner Ausbildung am Leipziger Konservatorium. Akademisch kann man die F-Dur-Sonate freilich nicht nennen, weil Grieg spontanen Einfällen und leidenschaftlichen Ausbrüchen immer wieder die Zügel schießen lässt. Schon die Zeitgenossen waren von der jugendlichen Frische und Unbekümmertheit begeistert, die auch die rasante Interpretation von Natalia van der Mersch und ihrer Klavierpartnerin Natalia Kovalzon auszeichnet.
Zwei Jahre später wechselte Grieg die Tonart und wandte sich den Traditionen seiner norwegischen Heimat zu, die noch immer um ihre Unabhängigkeit rang. Dem dänischen Kollegen Nils Gade war das Ganze bereits „zu norwegisch“, ein Urteil, dem man sich durchaus nicht anschließen mag. Erscheinen die volkstümlichen Elemente, wie etwa der berühmte Springtanz, in Griegs G-Dur-Sonate doch geistreich stilisiert und melancholisch abgeschattet.
Dem Duo Natalia, das sich 2011 zusammengefunden und in 14 Jahren eine wahrhaft kongeniale Form des Dialogs entwickelt hat, gelingt auch hier eine intensive, spannungsreiche Darbietung, die in der dritten und letzten Sonate noch einmal gesteigert wird. Zwei Jahrzehnte sind seit der Hommage an die Heimat vergangen, zwei Jahrzehnte, in denen Edvard Grieg seine künstlerischen und technischen Möglichkeiten entwickelt und vervollkommnet hat. Folgerichtig stellt das Werk an Interpreten und Hörer ungleich höhere Anforderungen als seine beiden Vorgänger. In schicksalsschwerem c-Moll entsteht eine eindrucksvolle, weitverzweigte musikalische Landschaft, deren Horizont keine Grenze mehr kennt.
Edvard Grieg: Sonaten für Violine & Klavier Nr.1-3, Nr.1-3, Ars Produktion