Auch wenn er nicht hinter dem Eisernen Vorhang leben mochte, blieb der tschechische Komponist Karel Husa seiner Heimat eng verbunden. Aus Anlass seines 100. Geburtstages stellt das Prager Symphonieorchester drei Werke aus unterschiedlichen Schaffensperioden vor.
Anfang der 1950er Jahre empfahl ihm die gleichgeschaltete Presse im kommunistisch regierten Heimatland, rasch nach Hause zurückzukehren, um sich nicht in einem „Dschungel der dekadenten Verwirrung“ zu verlieren. Doch Karel Husa, der in Paris bei Arthur Honegger und Nadia Boulanger studierte hatte, entschied sich, beim Klassenfeind zu bleiben. 1954 wurde er Professor an der Cornell University in Ithaca, fünf Jahre später amerikanischer Staatsbürger und 1969 war er der erste Tscheche, der den Pulitzer-Preis gewann.
Die Stadt, in der Karl Husa am 7. August 1921 geboren wurde, blieb zeit seines langen Lebens ein zentraler Bezugspunkt. Als die Sowjetunion in der Tschechoslowakei einmarschierte, veränderte Husa ein geplantes Konzert für Bläserensemble zur „Music for Prague 1968“. Es wurde sein bekanntestes Werk, das in der ein Jahr später erstellten Orchesterfassung eine besondere Suggestivkraft entfaltet. Ausgehend von dem alten hussitischen Kampflied „Die ihr Gottes Streiter seid“ zeichnet Husa einen expressiven Bilderbogen, der von vielerlei (musik)historischen Verweisen durchzogen wird und in einem Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmung gipfelt.
Die „Drei Fresken“ (1946/47) können als Verbeugung vor seinem Lehrer Arthur Honegger gedeutet werden. Die Eigenständigkeit des Werkes, das nun endlich als Weltersteinspielung vorliegt, wird dadurch allerdings nicht beeinträchtigt. Zu originell sind die scharfen Kontraste, die sich aus der neobarocken Struktur und dem ruppigen, zerklüfteten Innenleben ergeben.
Ganz andere Töne schlägt die 2. Symphonie aus dem Jahr 1983 an. Der Untertitel „Reflections“ verweist sowohl auf das musikalisch-technische Phänomen permanenter Klangspiegelungen als auch auf Reflexionen aus der Vergangenheit, die als Bilder und Ideen in die Gegenwart hineinragen. So blickt durch die ausdrucksstarken Ecksätze, aber auch durch die Kaskaden des furiosen zweiten Satzes immer wieder eine Ecke der Heimatstadt Prag hervor.
Auch wenn die Verbindung zwischen Karl Husa und dem Prager Symphonieorchester lange unterbrochen war, ist es so etwas wie der natürliche Anwalt seiner Musik. Das gilt insbesondere unter der versierten, energiegeladenen Leitung von Tomáš Brauner, der seit 2020 als Chefdirigent fungiert und im – nicht eben ausufernden, aber extrem facettenreichen Ouevre – des Karel Husa möglicherweise noch den einen oder anderen Schatz entdecken wird.
Karel Husa: Music for Prague – Symphony No.2 „Reflections“, Three Frescoes, Music for Prague 1968, Supraphon