Die Renaissance der Weserfähren

1953 war Schluss mit dem Fährbetrieb zwischen Fuhlen und Hessisch Oldendorf. Fortan führte eine Brücke über die Weser. Diesen Schritt in die Moderne empfand auch Dieter Grabbe, der Bürgermeister Fuhlens, als einen symbolischen Akt der Befreiung. Wie sonst lässt sich sein Flaschenwurf anlässlich der Brückeneröffnung erklären? Inhalt seiner Flaschenpost waren die alten Fährvorschriften.

Fähren galten nach 1945 nicht nur in Niedersachsen als Fortschrittshindernis. Der Brückenbau boomte und war für Viele ein Verkehrsbeschleuniger, ohne den der wirtschaftliche Wiederaufbau nicht denkbar schien. Zahlreichen Weserfähren gingen die Passagiere aus. Sie stellten deshalb den Betrieb ein. Der Weg an das jeweils andere Ufer führte fortan über Brücken, egal ob die Menschen mit dem Zug, dem Auto oder auch zu Fuß unterwegs waren.

Derartige Einschnitte sind für die Weserquerung bei Hessisch Oldendorf keine Besonderheit. Seit 1407 existierte hier eine Holzbrücke, die in den Wirren des 30-jährigen Krieges (1618-48) ein Opfer von Hochwasser und Eismassen wurde. Für ca. 250 Jahre sorgte anschließend eine Fährverbindung für die Weserquerung, die 1898/99 erneut durch eine in Hameln erworbene Kettenbrücke ersetzt wurde. Anfang 1945 erlitt diese Brücke das Schicksal zahlreicher anderer Brücken, sie wurde von deutschen Soldaten gesprengt, um den anrückenden alliierten Truppen den Vormarsch zu erschweren.

Fuhlens Bürgermeister Grabbe trennt sich von den Fährvorschriften.

Kein Wunder, dass der Neubau von Weserbrücken nach dem Zweiten Weltkrieg eine prioritäre Aufgabe war. Galt es doch, wichtige Verkehrswege, die unterbrochen waren, wieder zu verknüpfen. Das bis heute gewandelte Mobilitätsbewusstsein versteht derartige Flussquerungen mittlerweile als selbstverständlich. Nach Angaben der Niedersächsischen Landesstraßenbaubehörde existieren 17 Weserbrücken im Zuge von Bundes- und Landesstraßen. Dazu kommen zahlreiche Brücken im Zuge von Autobahnen und Kreisstraßen sowie reine Fußgänger- oder Fahrradbrücken.

Lieber Fähren als Brücken

Die Weserfähren waren lange Zeit die Verlierer dieser Verkehrsentwicklung. Mit den Scharen von Fahrradtouristen entlang der Weser begann sich dies aber zu verändern. Der 1992 eröffnete Weserradweg, vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) als 4****-Radweg zertifiziert, landet Jahr für Jahr unter den Top 10 der beliebtesten Radwanderwege Deutschlands. Und Radfahrer*innen lieben Fähren, erklärt Rüdiger Henze, ADFC-Landesvorsitzender in Niedersachsen, im Gespräch mit „Kulturabdruck“.

„Meine Erfahrung ist: Wenn es die Alternative Fähre gibt, entscheidet sich die Mehrzahl der Radler*innen für die Fähre. Brücken werden eher vermieden, da hier meistens mit Abgasen durch PKW-Verkehr zu rechnen ist“, berichtet Henze, der selbst viel mit dem Rad unterwegs ist. „Ich nutze auch immer lieber eine Fähre als eine Brücke“, schwärmt er. Fährfahrten bedeuten Entschleunigung, spannende Gespräche mit anderen Fährgästen aber auch mit dem Fährmann/der Fährfrau.

Bei Radfahrern beliebt: Die Weserfähren

Zwischen Hann. Münden und Porta Westfalica sind aktuell noch 13 Fähren im Betrieb. Hierbei handelt es sich um Gierseilfähren und um eine Solarfähre. Bei insgesamt sechs der Fähren ist ausschließlich der Transport von Personen und Fahrrädern möglich. „Das Übersetzen der Weser mit einer Gierseilfähre ist ein spannendes Erlebnis und auch von historischer Bedeutung, da die Fähre allein durch die Kraft des Wassers von einer auf die andere Weserseite gleitet“, betont Jessica Dolle von der Weser-Radweg Infozentrale in Hameln.

Haben also Radtouristen die Weserfähren gerettet? Mit Zahlen kann Henze diese Annahme nicht bestätigen. Aber viele Fähren sind zu touristischen Magneten geworden, manche Fähre hat dank neuer Fahrgäste ihren Betrieb überhaupt erst wieder aufgenommen, wenn auch nicht ganzjährig.