Die Streicher von Arenas de San Pedro

1782 schrieb Luigi Boccherini für seinen Dienstherrn, den spanischen Infanten Don Luís Antonio de Borbón y Farnesio, sechs Sinfonien. Die Besetzung sah auch eine Bläsergruppe vor, obwohl das „Orchester“ des Komponisten m Städtchen Arenas de San Petro in der Regel nur aus einem Streichquintett bestand. Für Marc Destrubé und das Orchestra of the Eighteenth Century ist diese Einschränkung gar keine.

Ein in der Aufführungspraxis obligates Cembalo und 17 (für die Sinfonien Nr.1, 2 und 5) beziehungsweise 20 (für Nr.3, 4 und 6) Streicher reichen hier aus, um einen Eindruck von der Musikbegeisterung und Experimentierfreude zu bekommen, die Boccherinis Arbeitsplatz geprägt zu haben scheinen. Aber der Komponist war schließlich auch nicht mehr an die Gepflogenheiten eines kulturellen Zentrums gebunden, seit Don Luis den Großraum Madrid nach seiner für die Familie unstandesgemäßen Eheschließung verlassen musste.

Im „Exil“ von Arenas de San Petro galten auch in der Musik eigene Gesetze – möglicherweise ein Grund für die unorthodoxe formale Struktur der dreisätzigen Sinfonien und die höchst originelle Verarbeitung italienischer, französischer und deutsch-österreichischer Einflüsse, denen der Komponist eigene, wenn man so will: spanische Ideen hinzufügte.

Boccherini sei „wahrhaftig nicht der Mann“ dem er „aus Herzens Wonne“ lange zuhören könne, notierte Carl-Ludwig Junker in seiner 1776 erschienenen Abhandlung „Zwanzig Componisten“. Die Musik des Zeitgenossen war ihm „zu schatticht, zu finster, zu mürrisch“. Die meisten Kritiker teilten diese Einschätzung nicht, doch ein Hang zur Melancholie wurde Boccherini immer wieder attestiert.

Bei den komplett in Dur-Tonarten geschriebenen Sinfonien op.35 kommt diese Seite allenfalls in den langsamen Sätzen zum Vorschein. Wo die Tempobezeichnung Allegro, Presto oder gar Prestissimo lautet, eilen die Streicher mit Verve und Eleganz von einer Idee zur nächsten. Marc Destrubé und das Orchestra of the Eighteenth Century entwickeln aus den Manuskripten, die in der Bibliothek des Infanten lagerten, eine wunderbare, apollinisch-heitere Interpretation, die sicher auch in Arenas de San Petro Beifall gefunden hätte.

Luigi Boccherini: Sinfonien op.35 Nr.1-6, 2 CDs, Glossa