Die Tiefe und das Licht

„Frieden ist das Beste, was die Natur dem Menschen bescherte“, heißt es in der Friedensklage „Querela pacis“, die Erasmus von Rotterdam 1517/18 anstimmte. Dabei war sich schon der niederländische Humanist darüber im Klaren, dass die Menschheit von jeder Art Idealzustand noch weit entfernt ist. Die Sopranistin Gudrun Sidonie Otto und der Organist Andreas Liebig geben die Hoffnung trotzdem nicht auf.

Auf ihrer im Basler Münster aufgenommenen CD stellen sie sieben Kompositionen aus vier Jahrhunderten vor, die sich tiefer Resignation und Verzweiflung stellen, im scheinbar Aussichtslosen aber auch immer die Möglichkeit seiner Überwindung entdecken. So erinnert ein dramatisches, vielfach gebrochenes Sopransolo von Luigi Nono an die Folterung der algerischen Aktivistin Djamila Boupachà – und beschwört dann eine Gegenwelt, die in unserer Realität (noch) kein Pendant findet.

Es muss ein Tag kommen,
ein andrer als heute.
Es muss das Licht kommen,
glaube an das, was ich dir sage.

Auch Daan Mannekes bewegendes „Friedenskonzert“ für Sopran und Orgel aus den 2019 uraufgeführten „Basler Psalmen“ folgt der Idee eines Miteinanders aller Menschen, die den mitunter trotzig und hilflos erscheinenden Widerstand gegen Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit unter keinen Umständen aufgeben. Das Licht der Tröstung, Hoffnung und Zuversicht schimmert schließlich sogar durch die voluminöse Orgelsonate in c-moll, mit der Julius Reubke den 94. Psalm musikalisch illustrieren wollte.

Andreas Liebig lässt Reubkes romantischen Überschwang nicht in turbulenten Klangkaskaden untergehen, sondern entwirft an der Mathis-Orgel des Basler Münsters eine hochvirtuose, aber klar strukturierte und höchst transparente Interpretation dieses aufregenden Werkes. Der helle, überaus prägnante und doch erstaunlich schmiegsame Sopran von Gudrun Sidonie Otto mischt sich nur in Mannekes „Friedenskonzert“ mit den Orgelklängen. Nonos „Djamila Boupachà“ und Sofia Gubaidulinas mystische Vision der Hildegard von Bingen bringt die in der Schweiz auch als Theologin tätige Sängerin ohne Begleitung zur vollsten Entfaltung.

Liebig tritt nicht nur in der erwähnten Reubke-Sonate, sondern auch bei Johann Sebastian Bachs „Fantasia et Fuga g-moll“ BWV 542 und einem spannungsgeladenen Vergleich als Solist in Erscheinung. Er spielt den Luther-Choral „Aus tiefer Noth schrei´ ich zu dir“ in den Versionen von Johann Sebastian Bach und Max Reger.

De profundis. Werke für Sopran und Orgel von Johann Sebastian Bach, Sofia Gubaidulina, Daan Manneke, Max Reger, Luigi Nono und Julius Reubke, arcantus