Mit einer Höhe von 4,72 Metern, einer Flügelbreite von gut 1,10 Metern und 3,6 Tonnen Gesamtgewicht gehörte sie zu den spektakulärsten Schöpfungen ihrer Zeit. Doch die Bernwardtür im Hildesheimer Mariendom fasziniert Besucher auch nach über einem Jahrtausend – als technische Meisterleistung, als eines der bedeutendsten Kunstwerke des Mittelalters oder schlicht als Glaubensbekenntnis.
Wer die gewaltigen Flügel 1015 im Auftrag Bischof Bernwards von Hildesheim im wahrsten Sinne des Wortes aus einem Guss herstellte, ist nicht bekannt. Auch die Suche nach Vorbildern führt kaum über Vermutungen hinaus, denn die ähnlich imposanten Türen der Aachener Pfalzkapelle oder das Marktportal des Mainzer Doms weisen keine figürliche Darstellung auf, während der Reliefzyklus, der das Hauptportal der römischen Basilika Santa Sabina all’Aventino schmückt, aus Holz gefertigt wurde.
Dass es nördlich der Alpen zuvor keinen plastisch gestalteten, aus Bronze gegossenen Bilderzyklus dieser Größe gab, gilt dagegen als wahrscheinlich. Die Bernwardtür erzählt in einer klar strukturierten, bis heute leicht nachvollziehbaren Darstellung 16 biblische Ereignisse, die von der Erschaffung Adams bis zur Himmelfahrt Christi reichen. Links oben beginnt die Geschichte, die über den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies abwärts führt, bis der alttestamentarische Teil mit Kains Ermordung seines Bruders Abel endet.
Auf der rechten Seite geht die Blickrichtung von unten nach oben. Mariä Verkündigung ist die erste Station auf einem Weg, der über die Geburt und den Tod Christi zur Auferstehung führt. Die Darstellung erinnert den Theologen Dr. Christian Schramm an einen „Comicstrip in 3-D“, wobei dem 3-D-Effekt besonderes Gewicht zukommt. Wer die ottonischen Plastiken aus der Nähe betrachtet, erkennt, dass sich die Figuren mitunter aus der Grundfläche hinauszulehnen scheinen. Besonders gut ist das in der Anbetung der Könige zu sehen. Die Oberkörper verlassen hier das Flachrelief, als ob sich die Figuren noch eingehender miteinander verständigen wollten.
Die weltberühmte Tür fungiert übrigens nicht als Eingang in den Mariendom. Im Zuge einer umfassenden Neugestaltung wurden ihre Flügel zwischen dem Kirchenschiff und dem sogenannten Westparadies aufgehängt. Hier können die 16 Tafeln in einem eigenen Raum betrachtet werden.