Die Weisheit der Dattelbäuerinnen

Gute Kinderbücher wissen zu begeistern und eine Botschaft zu vermitteln. Zu dieser Kategorie zählt auch „Jaffa und Fatima. Schalom, Salām“ – ein Bilderbuch, das auf nur 32 Seiten einen wohl zeitlosen Appell an die Leserschaft richtet, der immer wieder aufs Neue in Vergessenheit gerät: Vielfalt verbindet.

Dieses außergewöhnliche, bemerkenswerte Buch ist bereits vor drei Jahren erschienen, aber weiter brennend aktuell. Das zeigt ein Blick auf die aktuellen Konflikte in Nahost und die jüngsten Ereignisse in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt.

Das Leben von Jaffa und Fatima sieht völlig anders aus. Sie begegnen sich unvoreingenommen und respektvoll, entwickeln Empathie für die jeweils Andere und lösen Konflikte ohne Missgunst, Neid und Gewalt. Von der Jüdin und der Muslima können wir lernen, warum in unserer Gesellschaft weder Antisemitismus noch Islamfeindlichkeit oder Rechtextremismus einen Platz haben sollten.

„Jaffa und Fatima. Schalom, Salām“ ist für Kinder ab 3 Jahren geeignet. Der Text stammt von Fawzia Gilani-Williams, für die Illustrationen zeichnet Chiara Fedele verantwortlich. Ursprünglich ist das Bilderbuch 2017 bei der Lerner Publishing Group erschienen, der Ariella Verlag besorgte die deutsche Ausgabe.

Jaffa, eine Jüdin, und Fatima, eine Muslima, sind nicht nur Nachbarinnen, sondern auch Freundinnen. Gemeinsam bewirtschaften sie ihre benachbarten Dattel-Plantagen und erfreuen sich am kulturellen – und vor allem kulinarischen – Austausch. Als beide im Glauben sind, die andere müsse aufgrund geringer Erntemengen hungern, sorgen sie ohne zu zögern füreinander, obwohl sie selbst dadurch zurückstecken müssen.

Volksmärchen mit jüdisch-muslimischen Ursprung

„Jaffa und Fatima. Schalom, Salām“ ist ohne Frage eine besondere Geschichte. Denn es handelt sich um die Nacherzählung eines alten Volksmärchens, das sowohl jüdische als auch arabische Wurzeln hat. Im Fokus steht eine Botschaft des Friedens, die auf simple und kindgerechte Art aufzeigt, wie wichtig Zusammenhalt ist und was ein Miteinander verschiedener Religionen, Kulturen und persönlicher Hintergründe zu bewirken mag.

Bewusst hat die Autorin die Inhalte des Originals in einen bestimmten Kontext gesetzt und Jaffa und Fatima als Protagonistinnen für ihre Interpretation des Volksmärchens gewählt. „Sie sollen zeigen, worauf es wirklich ankommt: nämlich Menschen für das zu schätzen, was sie sind“, so die persönliche Anmerkung der Autorin bezüglich der Darstellung ihrer Hauptfiguren.

Gekonnt inszenierte Bildwelt

Dieser Gedanke trägt die Erzählung von den beiden Freundinnen auf ihren Dattel-Plantagen auf einfühlsame Weise. Kurze, prägnante Sätze fokussieren das Wesentliche. Wie bei einem Kinderbuch üblich transportieren vor allem die Illustrationen den Plot. Chiara Fedele fängt die Emotionen der beiden Protagonisten ein und schafft eine schlichte und zugleich ausdrucksstarke Bildwelt.

 

Unterschiede in der kulturellen und religiösen Lebensrealität der beiden Frauen werden unmittelbar gegenübergestellt und zueinander hingeführt. Selbst für die jüngsten Leser erschließt sich somit sofort, dass viele Unterschiede weniger signifikant sind als vielleicht zunächst gedacht. Wenn dem doch mal so ist, genießen die Protagonistinnen den Austausch und erkennen diesen als das an, was er ist: ein wahrer Gewinn für beide Seiten.

Simple but not simple? Miteinander statt Gegeneinander

Dieses Bilderbuch für die Jüngsten zeigt in minimalistischer Form, was selbstverständlich sein sollte: Unterschiede sollten nicht als Quelle für Konflikte betrachtet werden, sondern der gegenseitigen Bereicherung dienen. So simpel es klingt, so schwer ist dieser Grundsatz offenbar in der Realität für viele Menschen umzusetzen. Vorurteile, Halbwissen und vorgefertigte Denkmuster werden immer wieder zum Pulverfass.

Gerade vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse in Nahost und Deutschland ist es von größter Bedeutung, dass wir uns vergegenwärtigen, was passiert, wenn wir es nicht (mehr) schaffen, aufeinander zuzugehen. Denn weder antisemitisches noch islamfeindliches Gedankengut sollten Gehör in einer modernen Gesellschaft Gehör finden.

Um es klar zu sagen: Kritik an politischen Entscheidungen darf und muss – sofern reflektiert und konstruktiv – geäußert werden. Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind jedoch inakzeptabel.

Eine Geschichte, die für kleine und große Leser lohnt

Mit „Jaffa und Fatima. Schalom, Salām“ haben Fawzia Gilani-Williams und Chiara Fedele ein kleines Werk mit großer Strahlkraft geschaffen. Denn dieses Bilderbuch vermittelt auf einer überschaubaren Seitenzahl eine wertvolle Botschaft: Gemeinsam können wir selbst die größten Herausforderungen meistern, denn Freundschaft überwindet vermeintliche Grenzen und erschließt neue Perspektiven.

Für dieses Kinderbuch gilt dasselbe wie für viele andere Kinderbücher mit Tiefgang: Obwohl ursprünglich für Kinder gestaltet, lohnt sich die Lektüre auch – oder sogar besonders – für Erwachsene. Denn was ist wertvoller als die Erkenntnis, die ein Gleichnis zu transportieren vermag?

Chiara Federle, Fawzia Gilani-Williams: Jaffa und Fatima. Schalom, Salām, Ariella Verlag 2018, ab 3 Jahre, 12,95 €.