Die Welt im Kaiser-Panorama (2)

Vor einigen Tagen haben wir bereits einen Blick in die eigenwillige und längst untergegangene Welt der Kaiser-Panoramen geworfen. August Fuhrmanns Erfindung wurde ein grandioser Erfolg, sie blieb aber natürlich nicht das einzige Massenmedium, das um die Gunst des Publikums warb …

Von seiner Zentrale in Berlin aus dirigierte Fuhrmann die Filialen in der Provinz. Die Filialisten waren eigenständige Unternehmer, die sich ihr Vorführgerät vorher bei Fuhrmann gekauft hatten (Kaufpreis 3.450 Mark). Dieses Vorführgerät hatte er selbst entwickelt und ebenso enthusiastisch wie geschäftstüchtig beworben.

Das Kaiser-Panorama – eigene Erfindung – ist ein Kunst-Institut ersten Ranges, welches einem zeitgemäßen Bedürfnis entsprechend den Anschauungsunterricht für alle Schüler in außerordentlicher Weise erweitert. (…) Das Panorama ist ein eleganter repräsentativer Rundbau mit Nußbaum-Fournierung, von 3 m 75 cm Durchmesser. Es ruht auf sechs Füßen und misst vom Fußboden bis zur oberen Kante 2 m 40 cm. Die Armlehnen haben einen praktischen, dunkelbraunen, soliden Lederbezug; die untere dunkle Stoffgardine ist extra feuersicher imprägniert. Zur Herstellung des Panorama wird sorgfältig getrocknetes Holz verwendet, welches in erforderlicher Weise – kreuz und quer -, d.h. dreifach, zwischen heißen Bleiplatten verleimt wird; außerdem sind die Holzwände noch innen und außen fourniert, so dass die fünffach verarbeiteten Hölzer auch für Tropenklima die nötige Haltbarkeit für Jahrzehnte garantieren.
August Fuhrmann

Alles, was mit dem Betrieb der Filialen zusammenhing, wurde den Betreibern von Fuhrmann genau vorgeschrieben, bis hin zur Gestaltung der Werbung und der Ersatzteilbeschaffung für die Geräte. Nicht zuletzt das umfangreiche Bildmaterial, das sich am Ende auf einen Bestand von weit über 1.000 Bildserien summiert hatte. So manche Kurverwaltung machte sich den Erfolg dieses Mediums zunutze, indem sie auf eigene Kosten Bildserien herstellte und diese gegen eine Gebühr von Fuhrmann in sein Programm aufnehmen ließ.

Eingang zur Kaisergalerie, in der sich das Kaiserpanorama in Berlin befand

Das Ende des Kaiser-Panoramas, das seine Erfolgsgeschichte nach dem Ende des Kaiserreichs zunächst noch als „Welt-Panorama“ fortsetzen konnte, wurde durch die rasanten Fortschritte des neuen Mediums Films beschleunigt. Die bewegten Bilder zogen nun die Massen in die Kinos. 1939 wurde das Berliner Welt-Panorama geschlossen und die Zentrale liquidiert. Fuhrmann hatte sich bereits 1922 im Alter von 78 Jahren nach Verkauf seines Unternehmens aus dem Geschäft zurückgezogen.

Ein neues Kaiser-Panorama

1930 stand auch die Filiale in Celle vor dem Aus und geriet in Vergessenheit. Reste des Celler Welt-Panoramas wurden im Nachlass der einstigen Betreiberfamilie wieder entdeckt. Unter Verwendung der alten originalen Teile entstand ein neues Kaiser-Panorama, das anschließend im Celler Bomann-Museum präsentiert werden konnte. Es musste dann im Zuge der Neugestaltung der Dauerausstellungen weichen. Ende des 20. Jahrhunderts existierten nur noch wenige originale Kaiser-Panoramen weltweit. Der einst 100.000 Aufnahmen umfassende Bildbestand war auf etwa 25.000 zusammengeschmolzen.

Stadtkirche St. Marien in Celle

Die Wiederauferstehung des Kaiser-Panoramas in Celle war zugleich die Geburt des „Fördervereins für Kaiser-Panoramen e.V.“. Die gut 50 Mitglieder des Vereins sind fotografisch und historisch interessierte Menschen sowie Nachfahren der einstigen Unternehmensgründer. Auch Museen gehören zum engeren Kreis und natürlich der Filialbetreiber in Celle, sagt Vereinsvorsitzender Karsten Hälbig. Ziel des Vereins sei die Sicherung und Mehrung des Altbestandes an Bildgut und Geräten.

Wir wollen die jahrzehntelang nicht mehr gezeigten Aufnahmen wieder der Allgemeinheit zugänglich machen, neue 3-D-Aufnahmen herstellen und die Technik der Stereofotografie bekannter machen. Aktuell arbeiten wir unter anderem an einer 3D-Schau zum Thema Glasherstellung auf der Grundlage historischer Bilder aus dem Fertigungsprozess einer Glashütte in Schlesien und bemühen uns um die Kontaktaufnahme zum aktuellen Eigentümer des einzigen Kaiser-Panoramas in Australien, das Ende des 19. Jahrhunderts von einem Aussiedler dorthin mitgenommen wurde.
Karsten Hälbig

Daneben interessiert sich der Verein für Ausstellungsmöglichkeiten, um das eigene Kaiser-Panorama, das zuletzt 2024 für einige Monate im Folkwang Museum Essen ausgestellt war und seitdem im Depot steht, wieder öffentlich zu zeigen. Original-historische Fuhrmann-Kaiser-Panoramen existieren aktuell nur noch in München, Wels, Lodz und in Australien. Originale anderer Hersteller sind noch vorhanden in Berlin, Brünn, Antwerpen, Warschau, Krakau und den Niederlanden. Darüber hinaus befinden sich in einigen Museumsbeständen auch noch Nachbauten. Das Stadtmuseum Berlin verfügt sogar über Original und Nachbau des Fuhrmannschen Kaiser-Panoramas.

Die größten noch erhaltenen Bestände an Stereofotografien für das Kaiser-Panorama befinden sich am Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin sowie im Kulturhistorischen Museum in Rostock. In beiden Fällen wird der Bestand an online verfügbarem Bildmaterial kontinuierlich erweitert. „In diesem Jahr werden sämtliche Stereo-Bestände unserer Sammlung erfasst, digitalisiert und online gestellt“, erklärt Judith Kuhn vom Stadtmuseum Berlin. Das Kulturhistorische Museum in Rostock hat bislang zwei Zyklen in seine Online-Kollektion eingespeist, die Bildserie Kiel mit Umgebung und den Nordostsee-Kanal.

Die Zeiten des Massenmediums Kaiser-Panorama sind unzweifelhaft vorbei. Gleichwohl bleibt es eine spannende Episode, die uns berührende und überraschende Blicke in die Bilder- und Ideenwelt unserer Vorfahren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eröffnet. „Jahrhundert-Erinnerungen in 3D“, wie Vereinsvorsitzender Karsten Hälbig es zutreffend formuliert.

Weitere Informationen und Links:
– Kaiser-Panorama Berlin: Das originale Kaiser-Panorama aus dem Bestand des Märkischen Museums ist derzeit auseinander gebaut im Depot des Stadtmuseums Berlin eingelagert. Zu sehen ist ausschließlich der modifizierte und einem Fuhrmann-Panorama nachempfundene Nachbau in der Ausstellung „Berlin Global“ im Humboldt Forum ➤ Link
– Online Bildarchive Stereofotografie Berlin ➤ Link und Rostock ➤ Link
– Förderverein für Kaiser-Panoramen e.V. / Herr Karsten Hälbig ➤ Link
– Bernd Poch: Das Kaiser-Panorama, seine Vorgänger und seine Verbreitung in Nordwestdeutschland ➤ Link
– Aus Anlass des 30jährigen Firmenjubiläums erschien 1909 das „Goldene Buch der Zentrale für Kaiser-Panoramen“. Auf fast 300 Seiten stellte Firmeninhaber August Fuhrmann Empfehlungsschreiben begeisterter Nutzer seiner Erfindung zu Werbezwecken zusammen ➤ Link