Die Zerstörung der Flüsse

Dass es Hochwasser schon immer gegeben hat, ist sicher richtig. Genauso wenig kann allerdings bestritten werden, dass die Eingriffe des Menschen bereits problematisch waren, als vom Klimawandel noch keine Rede war.

Anfang Dezember 1960 sorgten schwere Regenfälle dafür, dass in Teilen Deutschlands mitunter katastrophale Zustände herrschten. Das Gebiet zwischen Emsland und Münsterland bis hin ins Ruhrgebiet war besonders stark betroffen. Zahlreiche Bäche und Flüsse traten über die Ufer, insbesondere auch über die künstlichen Begrenzungen der Umleitungen und Begradigungen.

Beispiel Hase: Der beschauliche Fluss war ein halbes Jahrhundert zuvor auf einer Länge von 1,2 Kilometern verlegt worden, als der Stichkanal, die Verbindung zwischen dem Osnabrücker Hafen und dem Mittellandkanal, gebaut wurde. Am 5. Dezember 1960 lag der Pegelstand dann 2,50 Meter über dem Wasserspiegel des Stichkanals. Der Damm, der beide Gewässer voneinander trennen sollte, brach zusammen. Ein reißender Strom wälzte sich Richtung Hollager Schleuse.

Die zerstörte Hollager Schleuse

Die Fluten zerstörten Böschungen und Uferbefestigungen und trafen mit voller Wucht auf die Schleuse, die den Wassermassen nichts entgegenzusetzen hatte. Pumpenhaus und Betriebsgebäude wurden weggerissen, das Wohnhaus des Schleusenwärters brach auseinander – eine Hälfte versank in der Tiefe.

Einen Tag später dokumentieren die Lokalzeitungen eine „Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes“ und zitierten fassungslose Augenzeugen:

Wir wussten nicht, wo wir zuerst hinsehen sollten. Das Pumpenhaus brach zusammen. Das Reservetor wirbelte weg. Mauern platzen auseinander. Es war fast wie bei einem Erdbeben.

Durch die Niederschläge kam es in weiten Teilen Nord- und Westdeutschlands zu schweren Überschwemmungen. In der Region Osnabrück traten auch Düte, Nette oder Wierau über die Ufer. Die Große Straße in Dissen verwandelte sich in einen reißenden Fluss, aber auch in Oesede, Wissingen, Melle, Bad Rothenfelde oder Hilter liefen Straßen, Gärten, Ställe und Keller voll. Am Oberlauf der Hase wurden die Wiesen bis nach Malgarten überspült. Bramsche gleiche nun einer „Siedlung am Ufer eines Sees“, befand das „Osnabrücker Tageblatt“.

Schnelle Hilfe und Ursachenforschung

Während im Emsland und in der Grafschaft Bentheim Vechte und Ems über die Ufer traten, überschwemmten im Münsterland Wassermassen aus Kanalisationen sowie Bächen und Flüssen die Ortschaften und zahlreiche Gebäude. Mancherorts mussten Bewohner mit Schlauchbooten gerettet werden. Das Technische Hilfswerk, Feuerwehren und auch die Bundeswehr leisteten Katastrophenhilfe.

Vom Hochwasser der Ems war auch Rheine betroffen – hier die Ecke Tiefenstraße und Mühlenstraße

Noch während des Hochwassers begann die Diskussion über die Ursachen und dabei ging es nicht nur um die ungewöhnlich hohe Niederschlagsmenge  oder die Maulwurfsgänge und Kaninchenbauten, welche die Dämme unterminiert haben sollten. Nach der Verlegung von Flussläufen sei der Hochwasserschutz sträflich vernachlässigt worden, monierten Kritiker bereits vor über 60 Jahren.

Nach dem Hochwasser kommt schweres Gerät zum Einsatz

Trotz der gewaltigen Schäden gab es in der Osnabrücker Region auch positive Nachrichten. Das Hochwasser forderte kein Todesopfer und die Aufräumarbeiten kamen – wie auch in den anderen Überschwemmungsgebieten – zumeist schnell voran. Hauptamtliche Helfer, Bauunternehmen und Freiwillige waren im Dauereinsatz.

Auch die britischen Streitkräfte, die hier stationiert waren und unter anderem 3.000 Sandsäcke nach Oesede brachten, beteiligten sich am Kampf gegen die Fluten und deren Folgen. Durchbrüche der Hase in den Stichkanal gab es aber auch in späteren Jahren, so etwa 1981 und 2010.