Die Zeitgenossen verglichen ihn mit Paganini, er selbst sah sich eher in der Tradition Beethovens. In seinen Streichquartetten ließ Henri Vieuxtemps der Begeisterung für das große Vorbild freien Lauf und schuf doch drei eigenständige, überaus effektvolle Werke.
Im Prinzip weiß die Musikwelt, das Henri Vieuxtemps (1820-81) nicht nur der brillante Solist war, der auf der ganzen Welt gefeiert wurde und das Publikum mit seiner stupenden Technik überwältigte. Doch seine eigenen Kompositionen führen bis heute ein Schattendasein – wenn überhaupt greifen Geiger und Programmplaner zu einem der sieben Violinkonzerte.
Dabei war der Belgier auch ein herausragender Kammermusiker. In jungen Jahren noch zu abenteuerlichen Improvisationen gezwungen, weil dem heimischen Streichquartett eine Bratsche fehlte, widmete er sich später den großen Meisterwerken, vor allem den Quartetten Beethovens, deren „Säfte“ er geradezu „aufgesagt“ haben will.
Zeit seines Lebens blieb er ein leidenschaftlicher Anhänger und Interpret, der dem verehrten Vorgänger auch in den drei eigenen, zwischen 1869 und 76 entstandenen Quartetten seine Reverenz erwies. Ohne Beethoven wären Vieuxtemps´ Beiträge undenkbar und doch suchte er in e-Moll, C-Dur und B-Dur seinen eigenen Stil, der sich durch melodischen Einfallsreichtum, athmosphärische Klangbilder sowie einen beachtlichen technischen und gestalterischen Anspruch auszeichnet.
Der Komponist hatte den Virtuosen dabei erstaunlich gut im Griff. Abgesehen vom 1. Quartett, in dem die prominente Position des 1. Geigers akustisch eindeutig markiert ist, dachte Vieuxtemps immer viergleisig und schuf auf diese Weise überaus dankbare Ensemblestücke.
Dass seine Streichquartette bislang so wenig Beachtung gefunden haben, ist durchaus rätselhaft. Aber von Vorteil für das Quatour Élysée, das mit seiner lebendigen, ebenso temperamentvollen wie feinnervigen Einspielung nun noch etwas mehr Beachtung finden dürfte als es ohnehin verdient hätte.
Henri Vieuxtemps: Streichquartette Nr.1-3, 2 CDs, Continuo Classics