Václav Neumann (1920-95) gehörte zu den prägenden Dirigenten des 20. Jahrhunderts, weil er akribische Werktreue mit einer höchst lebendigen Interpretation verband. audite erinnert mit drei Erstveröffentlichungen an den außergewöhnlichen Musiker.
Neumann, von dem die Selbstbeschreibung „Ich bin durch und durch Tscheche!“ überliefert ist, verstand sich als musikalischer Botschafter seines Heimatlandes. Er formte die Tschechische Philharmonie zu einem international gefeierten Orchester, das die Musik von Bedřich Smetana, Antonín Dvořák, Leoš Janáček oder Bohuslav Martinů wie kein anderes zum Klingen bringen konnte. Dabei setzte der in Prag geborene Dirigent, Geiger und Bratschist auf eine ganz unspektakuläre Herangehensweise. Neumann interessierte vor allem der Notentext, aus dessen Gesamtkonzeption und kleinsten Details er eine genaue Vorstellung von Gehalt und Verlauf, Tempo und Dynamik eines Werkes entwickelte.
Zu welch ausgefeilten Ergebnissen das führte, zeigen die drei Mitschnitte vom den Internationalen Musikfestwochen Luzern (seit dem Jahr 2000: Lucerne Festival). 1988 dirigierte Neumann hier Dvořáks 8. Symphonie, die auf klaren Grundstrukturen eine mitreißende Klangkulisse entfaltete. Planung und Poesie gingen auch vier Jahre zuvor Hand in Hand, als Neumann ein durchaus irritierendes Werk seines Landsmanns zur Aufführung brachte. Dvořáks symphonische Dichtung „Die Waldtaube“ erzählt unter den Klängen eines omnipräsenten Trauermarsches eine düstere Geschichte von Mord, Reue und Wahnsinn, die Neumann farbenreich, aber ohne jede Effekthascherei in Szene setzte. Auch bei der Ouvertüre zu Smetanas patriotisch erhitzter Oper „Libuše“ vermied er jedes falsche Pathos und ließ die wuchtigen Fanfaren zwar erhaben, aber nicht bedrohlich klingen.
Das Album besticht nicht nur musikalisch, sondern auch durch die herausragende Klangqualität der rund vierzig Jahre alten Aufnahmen, die mit Geschick und Feingefühl restauriert wurden. Außerdem finden sich im dreisprachigen Booklet neben einem informativen Begleittext von Michael Struck-Schloen, der auch die schwierige politische Rolle Václav Neumanns in den Blick nimmt, eine Reihe bislang unveröffentlichter Fotos, die den Dirigenten und sein Orchester während verschiedener Auftritte beim Luzerner Festival zeigen.
Antonín Dvořák: Symphonie N.8; Die Waldtaube / Bedřich Smetana: Ouvertüre zu „Libuše“, audite