Ehedramen, Liebesbriefe und eine wilde Nacht im Affengebirge

Im schmalen Zeitraum zwischen 1923 und 28 entstanden drei der faszinierendsten Streichquartette des 20. Jahrhunderts. Das Escher String Quartet gönnt den Meisterwerken von Leoš Janáček und Pavel Haas´ Geniestreich „Aus dem Affengebirge“ eine brillante Neueinspielung.

Michael Beckerman beginnt seinen informativen Booklet-Beitraq mit der Frage, ob die Gattung Streichquartett vorzugsweise den Bereich der absoluten Musik repräsentiere oder doch eher als eine Art emotionaler Blitzableiter zu verstehen und eigentlich dafür geschaffen sei, farbintensive, bilderreiche und hochemotionale Geschichten zu erzählen. Für die Werke von Janáček und Haas gilt ein unmissverständliches Sowohl-als-Auch, denn alle drei entfalten ihre mitreißende Wirkung auch ohne Kenntnis der näheren Umstände, bewegen sich ästhetisch auf der Höhe ihrer Zeit und versehen das damals schon weit über ein Jahrhundert alte Genre mit vielen neuen Impulsen – bis hin zum furiosen Schlagzeugeinsatz im letzten Satz des Haas-Quartetts.

Eben dieser Satz ist andererseits nicht nur mit der Tempoangabe „Vivace e con fuoco“, sondern auch mit der Inhaltsbeschreibung „Eine wilde Nacht“ versehen, so wie das gesamte Stück den Titel „Aus den Affenbergen“ trägt. Ein Sommerurlaub auf dem Land in der Nähe von Brünn hat hier offensichtlich Pate gestanden, während Janáčeks 1. Streichquartett „Kreutzersonate“ unverkennbar auf die berühmte Tolstoi-Novelle Bezug nimmt, die ihrerseits von einem Meisterwerk Beethovens inspiriert wurde. Das 2. Quartett „Intime Briefe“ spiegelt derweil die Leidenschaft des Komponisten für die 38 Jahre jüngere Kamila Stösslova, die nach Janáčeks schwerverliebter Erinnerung „hinter jedem Ton“ gestanden haben soll.

Das Escher String Quartet vereint die drei Ausnahmewerke in einer wahrlich herausragenden Einspielung, die an Brillanz, Präzision und Leidenschaft nichts zu wünschen übrig lässt. Jeder Takt, jede Note und Pause ist in dieser musikalischen Sternstunde am rechten Platz, sodass sich die spannende, aber doch nur theoretische Eingangsfrage schließlich in lauter Begeisterung auflöst. Die kurze, aber höchst einprägsame Gastrolle übernimmt der Schlagwerker Colin Currie.

Leoš Janáček: Streichquartette Nr.1 & 2 / Pavel Haas: Streichquartett Nr. 2, Super Audio CD, BIS