Ein Denkmal für die bedrohte Republik

Braune Relikte (2): Einweihungs-Postkarte aus dem Jahr 1928.

Friedrich Ebert, der erste Präsident der Weimarer Republik, sowie die ermordeten Politiker Walther Rathenau und Matthias Erzberger standen für ein neues, demokratisches Deutschland nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges. Ihnen zu Ehren entwarf Justus Haarmann eines der wenigen deutschen Denkmäler im „Internationalen Stil“. Im April 1933 wurde es von der SA abgerissen.

Als überparteiliche Vereinigung republikanischer ehemaliger Frontsoldaten zum Schutz der Weimarer Republik gehörte das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ zum republikfreundlichen Spektrum der Weimarer Epoche. Am 1. Juli 1928 errichtete die Osnabrücker Ortsgruppe am Herrenteichswall eines der wenigen deutschen politischen Denkmäler im „Internationalen Stil“. Das von dem Osnabrücker Architekten Justus Haarmann entworfene Denkmal erinnert an drei politische Vertreter der Republik: an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert (1871–1925) als ihren verstorbenen ersten Präsidenten sowie an Walther Rathenau (1867–1922) und Zentrumspolitiker Matthias Erzberger (1875–1921), die beide rechtskonservativen Attentaten zum Opfer fielen. Der politische Mord an Rathenau im Juni 1922 löste im Reich ebenso große Massendemonstrationen für den demokratischen Staat aus, wie die Trauerfeiern zu Ehren Erzbergers, Eberts und des Außenministers Gustav Stresemann (1878–1929).

Die Postkarte mit der Zeichnung des Architekten zeigt das für seine Zeit ungewöhnliche Denkmal an seinem Standort am Herrenteichswall. Anders als bis dahin üblich, wählte Haarmann die abstrakte Formensprache der „Neuen Sachlichkeit“. Mit seinem avantgardistischen Entwurf ging es ihm um den Ausdruck einer bestimmten Idee, die er mit den Worten: „Weiterlebt: Verheißung – Sieg – Freude!“ beschrieb. Ziel war es, das Neue der republikanischen Staatsform, wie es die erste gesamtdeutsche, 1919 in Weimar verkündete Republik darstellte, durch ein Denkmal sichtbar zu machen, das sich deutlich von dem bis dahin Bekannten abhob.

Die Initiatoren und ihre Absicht, durch ihre mahnende Erinnerung an die drei Politiker ein Eintreten für die Republik zu bewirken, sowie die ungewohnte künstlerische Form des Denkmals führten zu erregten öffentlichen Diskussionen und Übergriffen. Anfang August wurde in einer nächtlichen Aktion ein Kranz mit schwarzrotgoldener Schleife gestohlen, der bei der Einweihung für den Oberpräsidenten und den Regierungspräsidenten am Sockel des Denkmals niedergelegt worden war.

Unter dem nationalsozialistischen Regime beschloss der Osnabrücker Magistrat schon am 21. April 1933 die Zerstörung des Denkmals binnen acht Tagen. Mit dem Ratsbeschluss war zugleich an einen symbolischen Akt der Zerstörung der republikanischen Staatsform gedacht. In derselben Sitzung waren Hitler und Hindenburg zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt worden. Der Abriss des Denkmals erfolgte durch Angehörige der SA. Dem Architekten Haarmann war bereits am 1. April 1933 seine Stellung im Staatsdienst in Kassel gekündigt worden.

Seit 1983 befindet sich am ursprünglichen Standort des Denkmals wieder eine originalgetreue Rekonstruktion. Es gehört zu den wenigen Beispielen avantgardistischer Denkmalkunst der 1920er Jahre. Während der Weimarer Zeit entstanden nur wenige Denkmäler, mit denen sich das Osnabrücker vergleichen lässt. Dazu gehören das Märzgefallenen-Denkmal in Weimar (Walter Gropius, 1922) und das Denkmal der November-Revolution in Berlin (Mies van der Rohe, 1926), das an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erinnert. Während das erstere mit seiner aufzuckenden Blitzform als Ausdruck der dynamischen Kraft der Arbeiterklasse gilt, drückt das Berliner Denkmal Geschlossenheit und Stärke der Arbeiterklasse durch aufgeschichtete Kuben aus Backstein aus.

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.