Als Friedrich Schneiders „Christus der Meister“ 1828 beim Dürer-Fest in Nürnberg uraufgeführt wurde, war das Christentum noch tief im gesellschaftlichen Fundament verankert. 200 Jahre später dürfte die bedingungslose Glaubenszuversicht, in der das Oratorium schwelgt, vielen Zuhörern abhanden gekommen sein. Der Musik hat die Zeit weniger anhaben können.
Vor einem halben Jahr ist bereits „Christus das Kind“ (1829) auf CD erschienen, der Auftakt einer monumentalen Trilogie, die von Friedrich Schneider und seinem Librettisten Philipp Mayer ursprünglich sogar auf vier Teile angelegt war. Die Fortsetzung „Christus der Meister“ entstand ein Jahr früher – allerdings erzählt Mayer ohnehin weder chronologisch noch im Wortlaut des Neuen Testaments. Nach dem vorgeschichtlichen Kampf zwischen Gut und Böse, schildert „Christus der Meister“ die Wundertaten des Gottessohns, die allerorten große Hoffnungen wecken, aber auch auf Misstrauen und strikte Ablehnung stoßen. Mit dem Rezitativ „Doch nicht vom Brote lebt der Mensch allein“ beginnt der abschließende Teil, der in ein triumphales Glaubensbekenntnis mündet.
Schneider und Mayer setzen auch diesmal auf plastische Bilder und jede Menge Abwechslung. In anderthalb Stunden bringen sie beachtliche 45 Rezitative, Arien und Choreinsätze unter. Dabei steigern sich Komponist und Textdichter bisweilen in Beschwörungsgesten, die den unterschwelligen Zweifel gleich mitliefern. „Wenn alles weichet, alles wankt, / du hälst das Leben fest umrankt“, heißt es kurz vor dem leuchtenden Schlusschor – ganz so als hätte das frühe 19. Jahrhundert bereits Anlass gehabt, sich ein wenig vor dem um sich greifenden Relativismus zu fürchten.
Die Interpretation ist ganz auf Wohlklang konzentriert, ragt qualitativ aber ein deutliches Stück über das Schneider angeheftete Etikett der Gebrauchsmusik hinaus. Die Solopartien sind mit Dorothea Brandt, Rena Kleifeld, Fabian Strotmann und vor allem mit dem voluminösen Bass von Richard Logiewa Stojanovic durchweg gut besetzt. Das Sinfonieorchester Wuppertal überzeugt unter der Leitung von Alexander Lüken mit einer ebenso warmen wie transparenten Begleitung und lenkt die volle Aufmerksamkeit auf die Solisten und die Kantorei Barmen-Germarke, die – trotz einiger Probleme in Sachen Textverständlichkeit – mit einer bemerkenswerten Darbietung aufwartet.
Die Begeisterung für die ungewöhnliche Aufgabe und die ständigen Rollenwechsel ist dem Ensemble anzuhören, aber schließlich hat es wohl auch selten Gelegenheit, in Doppelchören als Engel und Höllengeister sowie als Volk und Priester aufzutreten. Die Kantorei leiht außerdem den Kranken, Blinden und Tauben, den Jüngern des Meisters und den Pharisäern seine Stimmen.
Friedrich Schneider: Christus der Meister, 2 SACDs, Ars Produktion