Ein italienischer Opernkomponist im deutschen Wald

Die Instrumentalwerke von Alberto Franchetti (1860-1942) und Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) standen schon zu Lebzeiten im Schatten ihrer weltberühmten Opern. Heute, da beide Komponisten nur noch sporadisch aufgeführt werden, sind sie gänzlich in Vergessenheit geraten. Aufnahmen des Orchestra Sinfonica di Roma und des Kammerorchesters MiNensemblet erinnern an drei eindrucksvolle Werke.

Mit seinen Opern, allen voran mit der 1902 uraufgeführten „Germania“, wurde Alberto Franchetti auf der ganzen Welt gefeiert. Doch das Oeuvre des Turiners, der ähnlich wie sein zwei Jahre älterer Kollege Giacomo Puccini einen extravaganten Lebensstil inklusive einer Passion für den Motorsport pflegte, umfasst auch symphonische Werke, Kammermusik und Lieder.

Seine einzige Symphonie stammt aus der Mitte der 1880er Jahre, mit ihr beendet Franchetti das Studium am Dresdner Konservatorium. Dem akademischen Rahmen kann das viersätzige Werk denn auch nicht ganz entschlüpfen, gleichwohl entfaltet es in 30 Minuten eine Vielzahl origineller Themen und spätromantischer Klangwirkungen. Franchettis Begeisterung für den deutschen Anteil an der europäischen Musikkultur klingt dabei immer wieder durch und den glühenden Wagner-Verehrer kann und will der Italiener ohnehin nicht verleugnen.

Wer den Weg in den deutschen Wald sucht, hat es also nicht weit, doch die symphonische Impression „Nella Foresta nera“ (1900) ist mehr als eine Verbeugung vor dem geliebten Land nördlich der Alpen. Franchetti schafft hier ein bezauberndes, höchst suggestives und facettenreiches Tongemälde, dem deutlich häufigere Aufführungen zu wünschen wären.

Die fast zeitgleich entstandene „Sinfonia da camera“ (1901) stammt aus der Feder von Ermanno Wolf-Ferrari, der dem Heimatland seines in Weinheim an der Bergstraße geborenen Vaters ähnlich zugetan ist wie der Kollege Franchetti. Im Jahr 1900 zieht Wolf-Ferrari nach München, wo später seine größten Opernerfolge uraufgeführt werden. Die „Sinfonia“ reiht sich in die Tradition von Schubert, Schumann, Mendelssohn und Brahms ein, setzt in der raffinierten Instrumentierung aber ganz eigene Akzente und überspielt auf höchst elegante Weise ihre musikalische Komplexität.

Wem die Komponisten kein Begriff sind, dem darf ein ebenso überraschendes wie begeisterndes Hörerlebnis versprochen werden. Wer beide kennt, wird in der klang- und stimmungsvollen Interpretation des Orchestra Sinfonica di Roma unter Francesco La Veccia und der transparenten, ausgefeilten Darbietung des Kammerorchesters MiNensemblet aber ebenfalls viel Entdeckenswertes finden. Dass die Aufnahmen aus den Jahren 1995 und 2011 stammen, tut ihrer Qualität keinen Abbruch, gibt freilich auch wenig Anlass zu hoffen, die reizvollen Werke könnten noch einmal häufigere Gäste auf den Konzertpodien werden.

Dabei bilden Franchetti und Wolf-Ferrari auch unter politischen Gesichtspunkten eine bemerkenswerte Paarung. Beide bleiben im Gegensatz zu vielen ihrer Landsleute und einer Reihe namhafter Kollegen außerhalb des Einflusskreises faschistischer oder nationalsozialistischer Ideologien. Bei dem jüdischen Komponisten Alberto Franchetti versteht sich das von selbst. Er wird im Verlauf der 1930er Jahren aufgrund seiner Abstammung aus dem deutschen und italienischen Musikleben gedrängt. Währenddessen erleben Ermanno Wolf-Ferraris Werke zwar zahlreiche Aufführungen, er selbst aber sucht aus Verzweiflung über Krieg, Gewalt und Terror – wie schon 1916 – seine Zuflucht in der Schweiz.

Alberto Franchetti: Symphonie e-moll, Nella Foresta nera / Ermanno Wolf-Ferrari: Sinfonia da camera B-Dur op. 8, Naxos