Ein Reichsgründer, eine preußische Ikone und exerzierende Prinzen

Dem Aufstieg und Fall der Hohenzollern im 19. und 20. Jahrhundert ist die neueste Reihe aus dem Archiv Historische Bildpostkarten gewidmet. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht Kaiser Wilhelm I. (1797-1888), dessen 100. Geburtstag 1897 gefeiert wird. Aber auch seine Mutter, die seinerzeit noch immer als Ikone verehrte Königin Luise, spielt eine wichtige Rolle.

Man ist damals noch mächtig stolz auf den Reichsgründer, „S.M. Kaiser Wilhelm I.“ gewesen. Seine politischen und militärischen Erfolge haben dem Land aus Sicht der Deutschen Ruhm und Ehre eingetragen, wie diese Bildpostkarte zeigt. Eingeschlossen in die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag ihres hochberühmten Sohnes ist Königin Luise von Preußen, die Mutter des Verehrten. Dieser wird als erfolgreicher Kriegsherr dargestellt, die Brust übersät mit Orden und Ehrenzeichen. Er trägt eine Pickelhaube, den „Helm mit Spitze“, der als Inbegriff preußischer Militärmacht und Zeichen des deutschen Militarismus gilt und von seinen Gegnern und Kritikern gern als Blitzableiter verspottet wird. Der Jubilar ist sowohl preußischer König, erkennbar an den Farben schwarz-weiß, als auch deutscher Kaiser, wovon die Nationalfarben schwarz-weiß-rot künden.

Königin Luise erscheint ohne ihren Gemahl, König Friedrich Wilhelm III. Dafür präsentiert man sie mit drei Söhnen, die alle zum Aufstieg der Hohenzollern-Dynastie beigetragen haben: Friedrich Wilhelm als König, der 1849 ebenfalls die Kaiserwürde hätte erhalten können, wenn er denn gewollt hätte. Neben ihm ist sein Bruder Wilhelm, der als König und ab 1871 als erster deutscher Kaiser Wilhelm I. regiert, und drittens Carl, der als preußischer General Karriere macht. Hier sind sie noch Kinder und Vorbilder für eine preußische Erziehung. Sie müssen stramm und unter Aufsicht exerzieren, und wenn es denn erlaubt ist, zu spielen, dann wenigstens mit Soldatenfiguren und Spielzeugkanonen, mit denen sich die Jungen schon mal auf die für sie bestimmten militärischen Tätigkeiten einstimmen können.

Luise, die hochverehrte Mutter dieser drei Hohenzollernprinzen, war eine schöne Frau, und Kornblumen sollen ihre Lieblingsblumen gewesen sein. Auf dieser Karte erscheint sie – wie so häufig – in einem weich fließenden Gewand, das unter der Brust mit Bändern zusammengehalten wird und mit einem um den Hals geschlungenen Tuch. So ist sie in ihrer Jugend vor allem durch den Bildhauer Gottfried Schadow verewigt worden. Sie starb früh und unerwartet im Jahr 1810. Das Schicksal ereilte sie mitten in den düsteren Zeiten der Besetzung Preußens durch Napoleon I., den sie 1809 in Tilsit aufsuchte, um das am Boden liegende Land vor dem vollständigen Untergang zu bewahren. 1813, in der Schlacht bei Leipzig und 1815 noch einmal bei Waterloo konnte Napoleon mit seinen Truppen vernichtend geschlagen werden.

Posthum erhöhte sich das Ansehen Luises. Auf der vorliegenden Ehrenkarte zur Hundertjahrfeier Wilhelms I. erzählen Abbildungen vom Lebensweg dieser Königin, deren Land durch Wilhelm, den zweiten Sohn, zu einer europäischen Großmacht aufsteigen konnte. Nach drei siegreichen Einigungskriegen gegen Dänemark, Österreich und Frankreich sind die preußischen Hohenzollern nunmehr auf der Höhe ihrer Macht.

Seit 1888 regiert im Deutschen Reich Wilhelm II., der Enkel des Gründers, von dem auf dieser Karte nicht die Rede ist. Unter seiner Herrschaft wird der Stern der Hohenzollern allmählich sinken.